15 August 2016

Ruhe kehrt ein

Nach einer Woche kehrt Ruhe und für viele Menschen, die nicht direkt von den Bränden betroffen waren, wieder Alltag ein - oder besser: der Versuch den Alltag zu leben. Für diejenigen, die ihre Angehörigen und Freunde oder ihr ganzes Hab und Gut, ihre Existenz verloren haben, wird diese Augustwoche den Rest ihres Lebens bestimmen.
Dagegen nimmt sich unser eigener Schrecken und die Trauer über die uns direkt umgebende zerstörte Flora klein und fast belanglos aus.
Von den dramatischen Szenen in Funchal habt ihr durch die Medien wahrscheinlich fast mehr mitbekommen als wir, denn wir waren ja zeitweise von allem abgeschnitten.
Im Gegensatz zur Panik, die in den brennenden Stadtteilen ausbrach, hatten wir mehr Zeit unsere Flucht, vorzubereiten. Wir hockten zuhause ja wie auf einem Feuerwachturm und konnten sehen, wie sich die Flammen über alle Hügel und Täler den Weg in unsere Richtung bahnten. 
Dass sich die Flammen entschieden oberhalb unserer Siedlung weiterzuziehen war nicht nur Glück, sondern ein Wunder und so blieben alle Häuser und Menschen auf unserem Lombo unversehrt.
Die Tage danach zehrten allerdings an den nervlichen Kräften, denn um uns herum brannte es ja weiterhin und wir hatten nur noch eine "Pfütze" Wasser, mit der wir unser Haus gegen Entzündung durch Funkenflug hätten schützen können. Am Freitag wurden dann endlich mehrere Container Trinkwasser abgesetzt, mit denen die reparierten Leitungen geflutet wurden und auch Levadawasser kam überall vom Berg wieder herunter.
Das war auch höchste Zeit, denn die Temperaturen stiegen wieder an und auch der Wind drehte nochmals richtig auf. Am Montag waren dann die letzten aktiven Feuer an der Südküste gelöscht.
Natürlich stellen sich jetzt große Fragen, wie es zu solch einer Katastrophe kommen konnte. Es waren ja mehrere Ecken auf der Insel fast gleichzeitig in Brand geraten. In Funchal war es eindeutig Brandstiftung, bei den Feuern im Westen gibt es bislang nur Vermutungen dazu. Dass sich kleine Brandherde zu einem Inferno entwickelten, lag natürlich an den Witterungsbedingungen, aber die bestanden ja bereits seit Tagen und außer dem Verbot von Feuerwerken und einer Ermahnung an die Bevölkerung vorsichtig zu sein, gab es keine weiteren Schutzvorkehrungen.
Nun haben wir eine Bilanz von 4 Toten, mehr als 200 zerstörten Häusern und einer verbrannten Fläche von 116 qkm, was fast einem Sechstel der Insel entspricht. Es ist zu hoffen, dass diesmal nicht nur leere Versprechungen, sondern wirklich sinnvoll koordinierte Taten folgen, mit dem wichtigsten Ziel überhaupt: das Paradies - ja, das ist es immer noch - und seine Bewohner zu schützen.
Alle südlichen Länder kämpfen ja mit dem gleichen Problem, der Flächen - und Waldbrände in heißen Sommern. Auch Madeira hat schon einiges an Bränden erlebt, aber fast immer war es "nur" Natur, die den Flammen zum Opfer fiel. "Das erholt sich doch wieder", hörten  wir sowohl von Einheimischen als auch von Residenten.
Was mich so maßlos aufregt, ist die Geringschätzung unserer wichtigsten Lebensgrundlage: Natur, das sind nicht ein paar hübsche Blümchen oder beeindruckende Bäume, sondern das, was uns das Leben auf dieser Welt erst ermöglicht.
Entschuldigt meine Theatralik, aber meine Gefühle sind nach diesen Ereignissen schwer im Zaume zu halten.

Zum Schluss möchte ich nochmals betonen: 

Madeira ist ein Paradies! 

Kommt hierher, seht es euch an und helft damit, dass die Verwundungen schnell wieder heilen.

14 August 2016

Wandern auf der Serra


Die erste Wanderung in der Rekonvaleszenz nach meinem Unfall sollte einfach, und mit der Möglichkeit sie je nach Befinden zu beenden, sein.
Das war drei Tage vor dem Inferno. Dann hatte ich den Post geschrieben und dann überschlugen sich die Ereignisse. 
Der Wanderweg PR 13 ist nicht gesperrt und wohl auch nicht von den Bränden betroffen gewesen. Die Zufahrt nach Paúl da Serra ist über Arco da Calheta-Rochão und den Encumeada-Pass möglich.







Wir haben uns den Weg von der Paúl da Serra Richtung Fanal ausgesucht. Der offizielle Wanderweg PR 13 beginnt gut beschildert an der Regionalstraße 209, die nach Porto Moniz führt, unterhalb des Pico Assobiadouros. Er kreuzt mehrmals die Regionalstraße. damit bietet sich die Möglichkeit die Wanderung in überschaubare Abschnitte einzuteilen. 

Los geht's auf der Südseite mit einem bequemen Treppenabstieg und weiter durch den Baumheide"Wald", der ein ganz kleines bisschen Schatten bietet.




Bald wechselt man die Straßenseite und taucht in den tiefen Schatten hoher Lorbeerbäume ein. Ein wenig Wind und die immer währende  Feuchtigkeit lassen sogar 27 Grad plötzlich kühl erscheinen. 


So erfrischt geht es auf und ab an den Steilwänden des Pico Fajã da Lenha vorbei. Ein kleiner Miradouro, der sich genau oberhalb des langen Tunnels der Levada do Seixal befindet (was sich natürlich nur auf der Karte erkennen lässt), lässt tief blicken: die bewaldeten Abhänge münden in das Hochtal Chão da Ribeira da Seixal. 
Der weitere Weg ist manchmal nicht ganz eindeutig, weil zwischendurch einige Felsbrocken umgangen werden müssen, aber dennoch gut zu finden, und trifft an der nächsten Straßenquerung auf einen Picknickplatz mit Feuerstelle und Brunnen. Wer sich hier ein bisschen umsieht, entdeckt hinter einer hohen Natursteinmauer ein Löschwasserreservoir. Das rückt uns die momentan bestehende Brandgefahr nochmal mehr ins Bewusstsein. Dass trotzdem hier vor wenigen Stunden noch ein Grillfeuer gebrannt hat (die Asche war noch heiß), war mehr als leichtsinnig.


Während wir eine Viertelstunde Pause machen, passiert gerade mal ein Auto die Straße.

Der dritte Abschnitt zieht sich wieder südlich weiter von der Straße weg und bietet phantastische Ausblicke in das Gebiet um Rabaçal, über die südlichen Bergrücken, weiter in das Tal der Ribeira da Janela bis Porto Moniz und, nach einem kurzen Anstieg, einen 270 Grad Blick über einen 100 Prozent wolkenlosen Atlantik, soweit das Auge reicht. Einfach unglaublich!




Kurze Zeit später verlassen wir den Hauptweg und schwenken rechts auf einen schmalen Pfad, der (beschildert!) nach 800 m zurück auf die Regionalstraße führt. 
Für heute reicht es, wir müssen ja auch wieder zurück zum Auto.

Fazit: eine einsame Höhenweg-Wanderung mit moderatem Auf und Ab, wunderbaren Ausblicken (bei gutem Wetter, klar!) durch ein bewaldetes Gebiet, in dem die Ursprungsvegetation der Insel noch gut erhalten ist.

 PR 13 - Paúl da Serra - Fanal
für Wanderungen mit Kindern oder Hunden gut geeignet. 

13 August 2016

Chronologie des Schreckens


Am Tag 4 nach der verheerenden Brandkatastrophe auf Madeira kehrt langsam Beruhigung ein.
Es gibt im Bezirk Calheta noch ein aktives Feuer, das unter Kontrolle abnimmt. Die Brandgefahr bleibt aber aufgrund der steigenden Temperaturen und möglicher Winde sehr hoch.

Weiterhin beobachten wir sehr genau, was um uns herum vor sich geht, und versuchen aus verschiedensten Quellen Informationen zu ziehen.

Folgende Bilder zeigen, wie sich in weniger als 24 Stunden unser Paradies zeitweilig in eine Hölle verwandelt hatte und mit welchen Naturwunden wir nun leben müssen.

Dienstag 17 Uhr 

Dienstag 18 Uhr 

Dienstag 19.30

Dienstag 21 Uhr - wir flüchten


Mittwoch 7.30 Uhr wir fahren nach Hause
Mittwoch 8 Uhr - wir kommen zurück, die Feuer sind hinter unserem Haus weitergezogen

Mittwoch 15 Uhr - es wird nochmal gefährlich, die Nachbarschaftsfeuerwehr rückt an

Mittwoch 19 Uhr - Kontrollgänge durch die Nachbarschaft 

Zerstörung soweit das Auge reicht

Mittwoch 20 Uhr - verbrannte Eukalyptusbäume - im Hintergrund wüten die Feuer weiter

Freitag 11 Uhr - die Aufräumungsarbeiten beginnen, das Leben geht weiter




















11 August 2016

Flammendes Inferno

Flammendes Inferno

Schreckliche Bilder gab es in den vergangenen zwei Tagen über alle Medienkanäle, deshalb nur Text zum Feuermeer auf Madeira. Ich habe in meiner Nachtwache mal einiges zusammengefasst.

In der ersten Augustwoche gehen die Temperaturen stetig nach oben, jeden Tag ein neuer Rekord nahe vierzig Grad. Während es bei uns in Calheta recht windstill bleibt, erzählen Freunde aus Funchal bereits von heftigen, heißen Winden. Eine ähnliche Situation auf dem Flughafen, dort werden viele Starts und Landungen gecancelt oder umgeleitet. Die Warnungen vor der extrem hohen Gefahr für Feuer werden ständig erneuert. Es dürfen keine Feuerwerke anlässlich der traditionellen Feste stattfinden.
Trotzdem entdecken wir auf einer Wanderung über Paul da Serra am Samstag Nachmittag ein noch nicht ganz ausgeglühtes Grillfeuer an einem Picknickplatz. Verantwortungslos! 
Am Montag, den 9. August, sind wir am Nachmittag auf dem Weg nach Funchal und entdecken bereits die ersten Rauchwolken oberhalb des Madeira Shopping Center. Wir haben haben nahe dem Mercado dos Lavradores unten in der Stadt zu tun und sehen bald wie sich die anfänglich orange-grauen Rauchwolken verändern zu schwarzem Qualm, der beginnt die oberen Stadtteile zu überziehen.
Schnellstmöglich verlassen wir Funchal über küstennahe Straßen wieder Richtung Calheta. Zuhause angekommen überschlagen sich bereits die Horrormeldungen, welches Ausmaß der Brand anzunehmen droht. 
Über Nacht und am folgenden Dienstag entfachen die heißen Winde immer weitere Feuer, das sich nach unten in die Stadt hineinfrisst. Inzwischen tauchen weitere Brandmeldungen entlang der Südküste auf.
Ich entdecke am Dienstag Nachmittag erste Ascheflocken, die in unseren Garten wehen. Inzwischen hat auch bei uns der NO-Wind etwas zugenommen und ich kann eine Rauchsäule auf Paul da Serra sehen. Das ist kurz nach 16 Uhr und Luftlinie ca. 8 km und genauso viele Lombos entfernt in einer Höhe von 1300 Metern. 
Um 17 Uhr, hat sich die Entzündung bereits zu einem großen Waldbrand entwickelt, wir entschließen uns, den Garten und die trockene Wiese hinter unserem Haus zu wässern. Anschließend bereiten wir uns für eine Flucht vor. Um 18 Uhr brennt es bereits bis auf 500 Meter herunter, immer noch einige Bergrücken entfernt. Um 20 Uhr stehen die ersten Häuser oberhalb Arco da Calheta in Flammen, dann geht es rasend schnell Richtung Westen weiter, über die oberen Hänge durch den Eukalyptuswald und nach unten in die Täler und wieder hinauf zu den Siedlungen. Als uns um 21 Uhr der Strom ausfällt, die ersten Häuser von Estrela brennenund uns nur noch die Ribeira Grande von dem riesigen Flammenmeer trennt, fahren wir Richtung Meer. Die Einheimischen aus der Nachbarschaft wollen in der Nähe bleiben, Freunde aus Estreito entschließen sich auch für die Flucht. 
Wir sehen und hören kein einziges Feuerwehrauto. José und etliche andere Helfer aus der Nachbarschaft bleiben als private Rettungskräfte am Ort. Allein diesen Menschen ist es zu verdanken, dass keine Menschenleben zu beklagen sind und kaum Schäden an Häusern entstanden.
Wir sitzen bis 2 Uhr morgens mit anderen Flüchtlingen in der Marina, verfolgen zum einen die Meldungen - alle Brände von Funchal bis Calheta sind außer Kontrolle - und zum anderen den roten Widerschein, der über die Felskante hinter uns sich auf dem Meer widerspiegelt.
Dann legen wir uns zu vielen anderen an den Strand mit schwindenden Hoffnungen.

In der ersten Morgendämmerung fahren wir hoch zu unserem Haus, noch ist alles unversehrt, aber unser Lombo brennt und qualmt immer noch, sodass wir nicht bleiben können. Außerdem kommt kein Wasser mehr aus den Leitungen. Zum Glück hat der Wind über Nacht nachgelassen, ja es ist am Morgen fast windstill. Die Feuer springen nicht mehr, sondern fressen sich etwas langsamer an den verwilderten Terrassen wieder zum Wald hinauf und ziehen dort weiter Richtung Westen.

Gegen 9 Uhr können wir zurück, die größte Gefahr scheint bei uns vorbei. Noch umgeben uns etliche Schwelbrände, die immer mal wieder zu hellen Feuern aufflackern. Der Gartenschlauch liegt bereit, noch haben wir ein paar hundert Liter Wasser im Tank, das wir für die Außenbewässerung mobilisieren können.

Bis Prazeres sehen wir dunkle Rauchwolken zum Himmel aufsteigen. Auf dem Weg dorthin ist ein kleines Gewerbegebiet bedroht, unter anderem mit einem Lager von 200.000 Litern hochprozentigem Rum. 
Der Wald über uns rauscht, knackt, knistert, Bäume stürzen laut krachend um - wir bleiben auf Alarmstufe rot. 
Am Nachmittag bringt ein Pickup ein paar Fässer Wasser in unsere Vereda, als sich die Situation wieder verschärft. Aber hier geht alles gut. 
Weiterhin regnet es Ascheflocken grau und schwarz, dank der zunehmenden Luftfeuchtigkeit und den sinkenden Temperaturen nicht mehr glühend.
Am frühen Abend entspannt sich die Lage für ganz Estreito da Calheta, doch weiter westlich und in den Höhenlagen wüten die Feuer weiter.
Bei einer kurzen Rundfahrt wird uns das Ausmaß des Schreckens erst richtig bewusst. Bislang verbrachten wir die bangen Stunden wie in Trance, immer in der Angst alles zu verlieren, beschäftigt mit sinnlosen Dingen, wie Asche fegen, obwohl sie weiterhin vom Himmel fällt. Und jetzt kommt die große Trauer, als wir durch die schwarz-graue zerstörte Natur fahren, mit ihrem beißenden Brandgeruch. 
Erste Meldungen sickern durch, dass etliche der Brände auf gezielte Brandstiftung zurückgehen sollen. Ich kann und will es nicht glauben! Es wäre schön schlimm genug, wenn sie durch Fahrlässigkeit verursacht wurden. Aber absichtlich?
Den ganzen Tag telefonieren wir mit Freunden auf der Insel , glücklicherweise und wie durch ein Wunder ist niemand ernsthaft zu Schaden gekommen. Besorgte Nachfragen aus der Heimat, wo die Medien Bericht erstattet hatten, können wir nun mit "fast überstanden" beantworten. 
Die folgende Nacht bleiben wir im Haus und schieben Wache. Sie bleibt hier ereignislos. Der Morgen beginnt mit einer Glocke aus Dunst/Dampf/Rauch und noch immer fliegen Ascheflocken.