ER 209 - Terra Chã - Vereda das Barbinhas - Levada do Norte - Madre - Lombo Queimado - Terra Chã - 11,5 km
Der Atlantik hat eine Wattehaube auf und Madeira ragt schon seit Tagen nur mit seinem oberen Drittel aus dem Wolkenmeer. Wandern ist also gerade ein bisschen wie fliegen. Auf Paúl da Serra (1400 m) sticht die Sonne von einem tiefblauen Himmel und die Mittagstemperaturen liegen bei 25 Grad. Das ist für den Wanderstart schon ganz schön warm, denn wir sind wirklich spät dran als wir unser Auto an der ER 209, am Beginn der Vereda da Terra Chã abstellen.
Eine halbe Stunde laufen wir erst mal durch dieses topfebene Plateau. Rechts und links blüht bereits der Stechginster, und immer mal wieder gibt es diese mit Lavastein durchzogenen, kargen Flächen, die ihren ganz eigenen Reiz haben. Wir hoffen sehr, dass wir auf dem Rückweg eine gute Spur durch die verginsterte Ebene finden werden. Die Wegweiser für die Canyoninger, die ja ihre Touren durch die Wasserfälle hier starten, führen auf den ersten Blick alle in den Stechginster 😭
Wir wollen über die Vereda das Barbinhas absteigen. Nach dem Abzweig von der Vereda da Terra Chã geht es auf einer mittlerweile schon etwas zugewachsenen Piste weiter bis zur Kante des Plateaus, dann beginnt der gut ausgebaute Wanderweg (kein PR, aber in bestem Zustand!) hinunter zur Levada do Norte.
Nach einstündigem Abstieg an der Levada angekommen, verfolgen wir diese durch drei kürzere Tunnel, wobei der mittlere definitiv zu meinen Lieblingstunneln zählt. Hier fühlt man sich wirklich so richtig mitten im Berg.
Am Ende des dritten Tunnel hören wir Schreie und Juchzer, und sehen bald darauf die ersten Canyoninger, die sich in der Ribeira do Folhadeiro herunter hangeln. Diese Wasserfälle werden wir später nochmal aus der Ferne sehen. Jetzt faszinieren mich - wie immer - die Konstrukte, die das Wasser für die Levada einfangen.
Dann erreichen wir bald die Madre der Levada do Norte in der Ribeira da Hortelã. Es ist schön schattig und kühl hier, und die Sonne zaubert nur noch ein paar Lichtspiele in die kleine Höhle, wo sich das Wasser zusammenfindet, bevor es in die Levada fließt. Die Kraft und Energie, die sich an diesem Ort sammelt, ist nicht nur spürbar, sondern tatsächlich auch mal sichtbar. Wir bleiben eine ganze Weile sitzen und "tanken".
Bis hierher ist der Weg für alle, die trittsicher und schwindelfrei sind, gut zu gehen. Um auf der anderen Seite aus der Ribeira Richtung Lombo Queimada herauszusteigen, bedarf es guter Ortskenntnisse oder eines Guides. Zunächst gibt es noch einen offensichtlichen Weg parallel zur Schlucht. Die Spur verliert sich jedoch immer mehr je weiter man sich von der Ribeira entfernt, um durch den Wald den Lombo hinaufzusteigen. Die Baummarkierungen sind spärlich, die Bäume stehen weit auseinander, das Laub am Boden deckt alles zu. Obwohl ich erst vor kurzer Zeit auf diesem Weg in der anderen Richtung unterwegs war, muss ich ihn wieder suchen. Ziel ist die weiße Felswand.
Hier angekommen ist wieder alles eindeutig: die rechte Spur führ nach unten zum Poio de Pampona (und letztendlich zur Ribeira do Seixal und Chão da Ribeira), die linke hält sich eng an der Felswand bis zum kurzen Anstieg auf die Felsnase. Man muss nicht klettern, braucht aber die Hände um hoch zukommen.
Wir kraxeln noch bis zur "Nasenspitze" hinauf für den tollen Rundblick. Hier sehen wir auch den weiteren Verlauf über den bewachsenen Felsgrat zur eindrucksvollen Kuppe und den dahinter breiter werdenden Lombo, auf dessen Westhang wir zur Hochebene zurückkommen werden.
Sobald wir flacheres Gelände erreichen, wird auch der Bewuchs dichter. Piet holt das Messer aus dem Rucksack. Es ginge auch ohne, denn die jungen Ginsterbüsche sind noch recht biegsam, aber hier geht so selten jemand durch, dass es schon Sinn macht den "Tunnel" etwas auszulichten. Kleine Fähnchen, die in die Büsche geknotet sind, helfen bei der Wegfindung in diesem Labyrinth. Wir gehen noch ein kleines Stück durch einen trockenen Seitenarm der Ribeira da Hortelã, der nur nach starken Regenfällen hier auf der Hochebene Wasser führt. Danach helfen Steinmännchen weiter, um bis zur Terra Chã-Piste durchzukommen ohne im Stechginster stecken zu bleiben.
Fazit: eine sehr schöne und abwechslungsreiche Runde mit tollen Aussichten (wenn das Wetter mitmacht!). Die größte Schwierigkeit besteht in der Orientierung zwischen Madre und Lombo, denn die Felswand stört die Navigation über GPS.
Gehzeit: 4 h 30
Höhendifferenz: 495 m
GPS: https://de.wikiloc.com/routen-wandern/cova-do-moirao-187286180