"Die pittoreske Gegend von Rabaçal mitten im Inselinneren, auf einer Höhe von 1000 m und etwa 15 km entfernt von Calheta Vila wurde vor wenigen Jahren mit einer guten Straße erschlossen. … Seit frühesten Zeiten der Besiedlung hatte diese Region eine hohe Anziehungskraft, nicht nur wegen der Schönheit der Natur, sondern hauptsächlich wegen ihres Wasserreichtums, der sich ungenutzt in den Ozean ergoss. Man kann sich kaum vorstellen, wie viele Versuche es in den ersten Jahrhunderten gab, dieses Wasser zu nutzen."
Die ersten gesicherten Belege dazu gibt es erst im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts. Am 8. Oktober 1768 wird der Ingenieur Francisco de Alencourt mit einer Planung beauftragt, wie "auf einfachstem Wege die vielen Flüsse zur Bewässerung der Bezirke Canhas, Arco da Calheta, Estreito, Prazeres, Fajã da Ovelha, Ponta do Pargo bis Porto Moniz oder soweit wie möglich zu nutzen wären."
Bis das erste offizielle Dokument zum Verlauf und den Kosten einer Levada vorliegt, vergeht mehr als ein halbes Jahrhundert. 1835 wird mit den Arbeiten begonnen, die "von der Quelle der Ribeira da Janela bis zum Monte Estrebarias" zwanzig Jahre dauern - mit mehreren Unterbrechungen bedingt durch politische Unruhen und Geldmangel.
"Wir können einen unvergesslichen Tag in der Geschichte der Arbeiten von Rabaçal festhalten - es ist der 16. September 1855 - als das Wasser zum ersten Mal durch den Tunnel von Estrebarias floss, vom Norden in den Süden der Insel, um die Brachflächen in fruchtbares Ackerland zu verwandeln."
(Auszug aus dem Elucidário Madeirense von 1940)
Diese Geschichte von der Levada velha do Rabaçal und Fundstücke, die belegen, dass diese alte, stillgelegte Levada noch zu bewandern wäre, hat mich neugierig gemacht, denn wir kennen bislang nur das kurze Stück vom Risco Wasserfall bis zu den Rabaçal-Häusern. Die märchenhafte Region Rabaçal und ihre traumhaften Levada-Wanderstrecken sind ja leider so hoffnungslos überlaufen, dass wir dort lieber unbekannte Strecken erkunden.
Wir nehmen als Start den Rastplatz an der Estrada Regional 211 ( ehemals eine gute Straße, wie oben berichtet, heute nicht mehr als eine asphaltierte Schlaglochpiste, die jeden Kleinwagen auf eine harte Probe stellt). Von dort führt ein markierter Wanderweg "PR 6 - 25 Fontes" zum Reitertunnel (dem sehr viel später erbauten Durchgang für das gesammelte Wasser von Rabaçal). Wir durchqueren den 800 m langen - zur Zeit sehr nassen - Tunnel und steigen ca. 50 m nach dem nördlichen Ende einen schmalen Saumpfad rechts bergauf. An der nächsten Wegkreuzung halten wir uns rechts und gehen bei der folgenden abzweigenden Beschilderung einfach geradeaus weiter. Das trockene Levadabett ist schon nach wenigen Metern erkennbar. Breit, und bequem zu laufen, zieht sich der Weg zunächst Richtung Osten.
Erst mit der Überquerung der alten Levadabrücke über die Ribeira do Alecrim erreichen wir den Südhang des Janelatals. Wir sind sehr erstaunt über den guten Zustand der mehr als180 Jahre alten, und seit Jahrzehnten stillgelegten Levada in diesem fast undurchdringlichen Urwald. Nicht nur das breite und tiefe Levadabett ist über weite Strecken gut erhalten, auch der begleitende Weg, der in einer ungewöhnlichen Breite, gestützt durch Aufmauerungen zum steilen Abhang, kaum ausgesetzte Stellen aufweist.
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Levadabrücke |
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nur die Abdeckung des Kanals ist etwas brüchig |
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Ribeira do Alecrim |
Die weitere Wegführung wechselt zwischen einfachem Wanderweg und schwieriger begehbarem Terrain, fast immer unter dem "Dach" der knorrigen Baumheiden.
Nur selten öffnet sich der Wald und gibt den Blick frei über die Serra. Dann aber umso imposanter.
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"Mutter-Kind"-Tunnel |
Nach den kurzen Felstunneln wird es ein bisschen spannend, und mehr als einmal erweist es sich von Vorteil, dass die Levada trocken ist. Damit brauchen wir uns nicht zwischen balancieren oder klettern entscheiden - einfach rein ins Levadabett und an sicherer Stelle wieder heraus!
Der folgende Tunnel ist schon so hoch und breit, dass er ein Pferde- oder Ochsengespann durchlassen würde. Und kurze Zeit später stehen wir dann vor dem Eingang des Estrebarias-Tunnels. Man kann nur spekulieren, warum man diesen Tunnel, der ja eigentlich nur Wasser durchleiten sollte, in dieser Höhe erbaut hat: für den Levadabau? für eine spätere Nutzung mit Fahrzeugen?
Wir kehren an dieser Stelle um und nehmen nach etwa 100 m einen ansteigenden, angenehm zu gehenden Pfad, der uns bis zur ER 110 auf die Serra führt. Hier noch ein Blick zurück über das sonnige Janela-Tal, bevor wir nach Osten an der breiten Trasse entlang der Straße Richtung Pico Gordo wandern. Gleich nach dem Schild (Pico Gordo) zweigt ein Wirtschaftsweg nach Süden ab.
Damit müssen wir zwangsläufig durch das Brandgebiet vom August 2016. Hier oben sehen die Hügelkuppen noch immer aus, als würden wir durch Kohlenhalden laufen. Wir wählen deshalb den kürzesten Weg zurück zum Parkplatz über die Kopfsteinpflasterstraße.
Fazit: Eine geschichtsträchtige Wanderung auf einsamen Wegen. Es gibt entlang der Levada keine Sicherungen, die ausgesetzten Stellen sind aber gefahrlos durch das Levadabett zu passieren, die Wegführung ist eindeutig und fast durchgehend ausgeholzt. Nur auf dem letzten Levada-Kilometer muss man etwas unter und über die Stämme der Baumheiden turnen.
Gehzeit: 3 1/2 Stunden
Anfahrt: Via Expresso VE 3 - Calheta Kreisel - Ausfahrt Rabaçal - Estrela - weiter den Schildern Rabaçal folgen bis zur Wandertafel des PR 6 und PR 6.1 am Rastplatz im Wald