Schreckliche Bilder gab es in den vergangenen zwei Tagen über alle Medienkanäle, deshalb nur Text zum Feuermeer auf Madeira. Ich habe in meiner Nachtwache mal einiges zusammengefasst.
In der ersten Augustwoche gehen die Temperaturen stetig nach oben, jeden Tag ein neuer Rekord nahe vierzig Grad. Während es bei uns in Calheta recht windstill bleibt, erzählen Freunde aus Funchal bereits von heftigen, heißen Winden. Eine ähnliche Situation auf dem Flughafen, dort werden viele Starts und Landungen gecancelt oder umgeleitet. Die Warnungen vor der extrem hohen Gefahr für Feuer werden ständig erneuert. Es dürfen keine Feuerwerke anlässlich der traditionellen Feste stattfinden.
Trotzdem entdecken wir auf einer Wanderung über Paul da Serra am Samstag Nachmittag ein noch nicht ganz ausgeglühtes Grillfeuer an einem Picknickplatz. Verantwortungslos!
Am Montag, den 9. August, sind wir am Nachmittag auf dem Weg nach Funchal und entdecken bereits die ersten Rauchwolken oberhalb des Madeira Shopping Center. Wir haben haben nahe dem Mercado dos Lavradores unten in der Stadt zu tun und sehen bald wie sich die anfänglich orange-grauen Rauchwolken verändern zu schwarzem Qualm, der beginnt die oberen Stadtteile zu überziehen.
Schnellstmöglich verlassen wir Funchal über küstennahe Straßen wieder Richtung Calheta. Zuhause angekommen überschlagen sich bereits die Horrormeldungen, welches Ausmaß der Brand anzunehmen droht.
Über Nacht und am folgenden Dienstag entfachen die heißen Winde immer weitere Feuer, das sich nach unten in die Stadt hineinfrisst. Inzwischen tauchen weitere Brandmeldungen entlang der Südküste auf.
Ich entdecke am Dienstag Nachmittag erste Ascheflocken, die in unseren Garten wehen. Inzwischen hat auch bei uns der NO-Wind etwas zugenommen und ich kann eine Rauchsäule auf Paul da Serra sehen. Das ist kurz nach 16 Uhr und Luftlinie ca. 8 km und genauso viele Lombos entfernt in einer Höhe von 1300 Metern.
Um 17 Uhr, hat sich die Entzündung bereits zu einem großen Waldbrand entwickelt, wir entschließen uns, den Garten und die trockene Wiese hinter unserem Haus zu wässern. Anschließend bereiten wir uns für eine Flucht vor. Um 18 Uhr brennt es bereits bis auf 500 Meter herunter, immer noch einige Bergrücken entfernt. Um 20 Uhr stehen die ersten Häuser oberhalb Arco da Calheta in Flammen, dann geht es rasend schnell Richtung Westen weiter, über die oberen Hänge durch den Eukalyptuswald und nach unten in die Täler und wieder hinauf zu den Siedlungen. Als uns um 21 Uhr der Strom ausfällt, die ersten Häuser von Estrela brennenund uns nur noch die Ribeira Grande von dem riesigen Flammenmeer trennt, fahren wir Richtung Meer. Die Einheimischen aus der Nachbarschaft wollen in der Nähe bleiben, Freunde aus Estreito entschließen sich auch für die Flucht.
Wir sehen und hören kein einziges Feuerwehrauto. José und etliche andere Helfer aus der Nachbarschaft bleiben als private Rettungskräfte am Ort. Allein diesen Menschen ist es zu verdanken, dass keine Menschenleben zu beklagen sind und kaum Schäden an Häusern entstanden.
Wir sitzen bis 2 Uhr morgens mit anderen Flüchtlingen in der Marina, verfolgen zum einen die Meldungen - alle Brände von Funchal bis Calheta sind außer Kontrolle - und zum anderen den roten Widerschein, der über die Felskante hinter uns sich auf dem Meer widerspiegelt.
Dann legen wir uns zu vielen anderen an den Strand mit schwindenden Hoffnungen.
In der ersten Morgendämmerung fahren wir hoch zu unserem Haus, noch ist alles unversehrt, aber unser Lombo brennt und qualmt immer noch, sodass wir nicht bleiben können. Außerdem kommt kein Wasser mehr aus den Leitungen. Zum Glück hat der Wind über Nacht nachgelassen, ja es ist am Morgen fast windstill. Die Feuer springen nicht mehr, sondern fressen sich etwas langsamer an den verwilderten Terrassen wieder zum Wald hinauf und ziehen dort weiter Richtung Westen.
Gegen 9 Uhr können wir zurück, die größte Gefahr scheint bei uns vorbei. Noch umgeben uns etliche Schwelbrände, die immer mal wieder zu hellen Feuern aufflackern. Der Gartenschlauch liegt bereit, noch haben wir ein paar hundert Liter Wasser im Tank, das wir für die Außenbewässerung mobilisieren können.
Bis Prazeres sehen wir dunkle Rauchwolken zum Himmel aufsteigen. Auf dem Weg dorthin ist ein kleines Gewerbegebiet bedroht, unter anderem mit einem Lager von 200.000 Litern hochprozentigem Rum.
Der Wald über uns rauscht, knackt, knistert, Bäume stürzen laut krachend um - wir bleiben auf Alarmstufe rot.
Am Nachmittag bringt ein Pickup ein paar Fässer Wasser in unsere Vereda, als sich die Situation wieder verschärft. Aber hier geht alles gut.
Weiterhin regnet es Ascheflocken grau und schwarz, dank der zunehmenden Luftfeuchtigkeit und den sinkenden Temperaturen nicht mehr glühend.
Am frühen Abend entspannt sich die Lage für ganz Estreito da Calheta, doch weiter westlich und in den Höhenlagen wüten die Feuer weiter.
Bei einer kurzen Rundfahrt wird uns das Ausmaß des Schreckens erst richtig bewusst. Bislang verbrachten wir die bangen Stunden wie in Trance, immer in der Angst alles zu verlieren, beschäftigt mit sinnlosen Dingen, wie Asche fegen, obwohl sie weiterhin vom Himmel fällt. Und jetzt kommt die große Trauer, als wir durch die schwarz-graue zerstörte Natur fahren, mit ihrem beißenden Brandgeruch.
Erste Meldungen sickern durch, dass etliche der Brände auf gezielte Brandstiftung zurückgehen sollen. Ich kann und will es nicht glauben! Es wäre schön schlimm genug, wenn sie durch Fahrlässigkeit verursacht wurden. Aber absichtlich?
Den ganzen Tag telefonieren wir mit Freunden auf der Insel , glücklicherweise und wie durch ein Wunder ist niemand ernsthaft zu Schaden gekommen. Besorgte Nachfragen aus der Heimat, wo die Medien Bericht erstattet hatten, können wir nun mit "fast überstanden" beantworten.
Die folgende Nacht bleiben wir im Haus und schieben Wache. Sie bleibt hier ereignislos. Der Morgen beginnt mit einer Glocke aus Dunst/Dampf/Rauch und noch immer fliegen Ascheflocken.
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