27 August 2023

Levada do Norte

Was für ein wundervoller Tag! Wir beginnen ihn mit dem Sonnenaufgang und lauschen der tollen Stimme der Sängerin Beatriz Caboz auf einem meiner Lieblings-Miradouros auf Bica da Cana. Die Sonne schiebt sich zwar nicht hell gleißend über die Picos, doch die zarten Wolken machen eine zauberhafte Stimmung.




Der Tag wird wieder heiß, und wir wollen zum Wandern abtauchen in die wasserreichen Schluchten des Nordens.  Vom Forsthaus Estanquinhos stapfen wir zunächst noch hinauf auf den Pico Ruivo do Paúl. Die Wege über die Serra sind leider ziemlich ungepflegt, d.h. wir können vom Gipfel nur auf den Fahrpisten gehen, denn jeder kleine Pfad endet nach kurzer Zeit in undurchdringlichem Stechginster/Brombeerdickicht. In Richtung Nordwesten erreichen wir nach einer Stunde die Vereda das Barbinhas. In vielen Serpentinen geht es nun für eine Stunde schön schattig auf einem gut unterhaltenem Bergweg hinunter zur Levada do Norte.














Wir folgen der Levada gegen die Fließrichtung und durchqueren drei kurze Tunnel. Der Wasserkanal wird immer schmaler, die Vegetation dichter, und das Gefühl mit der Natur zu verschmelzen immer realer. An der Madre der Levada - in der Ribeira da Hortelã müssen wir einfach eine Weile sitzen bleiben - wirklich ein mystischer Ort!














Der Rückweg entlang der Levada - es erwarten uns noch sehr lange Tunnel - ist wie eine Reise zum Mittelpunkt der Erde. Man geht ja nicht einfach durch einen langen finsteren Gang, ganz im Gegenteil - es gibt so viel zu sehen, besonders im vierten Tunnel, den wir die "Silbermine" taufen. Durch die hohen Temperaturen hängt der 2 km lange Tunnel voller Wasserdampf. Immer wieder glitzern einzelne Felsen oder ganze Wände silbrig, dort, wo der Dampf in feinsten Tröpfchen am kalten Gestein kondensiert. 








Die tunnelfreien Passagen erfordern viel Aufmerksamkeit, denn es gibt immer mal wieder sehr rutschige Stellen und auf die Seilgeländer ist nicht unbedingt Verlass.



Nach insgesamt zehn Tunneln und zwei Wasserfallduschen beginnen wir sehr erfrischt unseren Aufstieg. Direkt am Tunnelausgang führt ein etwas kniffeliger Pfad hinauf zur Vereda do Pau Branco. Dieser Weg ist eine steile Direttissima bis zur Levada da Ribeira do Inferno. Die stillgelegte Levada überqueren wir mit kurzem Schwenk nach rechts. Dann geht es überwiegend moderat ansteigend weiter hinauf bis zum Fuß des Pico Ruivo do Paúl. Nur die letzten Meter sind ätzend: Der Stechginster dringt viel zu schnell in den Weg hinein und muss eigentlich bei jedem Gang mit der Machete zurückgedrängt werden. Kleine Blessuren bleiben trotzdem nicht aus, vor allem bei Piet, der das Messer schwingt. Aber wir haben so viel Kraft und Energie in den letzten Stunden getankt, dass die kurze, pieksige Episode schnell vergessen ist. 







Was für ein fantastischer Tag, welch eine grandiose Wanderung!

Wichtig für die Sicherheit: die lange Wanderung setzt ein gutes Orientierungsvermögen, am besten Ortskenntnis, Trittsicherheit, Schwindelfreiheit und ein gutes Equipment (Taschen/Stirnlampen, Ersatzbatterien, Helm, Regenschutz für die Wasserfälle) voraus. Nur bei eindeutig stabiler Wetterlage gehen!



GPX: https://de.wikiloc.com/routen-wandern/levada-do-norte-145286630

21 August 2023

Eine botanische Exkursion ...

... im August im Südwesten Madeiras, wo es im Sommer wochenlang nicht regnet, verspricht nicht den großen Blütenrausch. Zu entdecken gibt es jedoch trotzdem eine ganze Menge, besonders wenn man mit einer Expertin unterwegs ist. Die bekannte Botanik-Professorin Susana Fontinha hatte eine Exkursion im Naturschutzgebiet "Parque Natural do Paúl do Mar" angeboten, zu welchem auch der Caminho Real 23 oder Caminho Real do Paúl do Mar gehört. ihre Spezialität sind natürlich die endemischen und heimischen Pflanzen, von denen es in den Steilhängen der Ribeira Seca sehr viele gibt - man muss nur wissen, wie sie aussehen. Getreu dem Motto: man sieht nur, was man kennt.

So konnte unsere kleine Gruppe (9 botanisch Interessierte) mehrere Exemplare eines eher seltenen endemischen Baums entdecken, der auf den ersten Blick zur Gruppe der Lorbeerbäume zu gehören scheint. Es ist jedoch eine völlig andere Spezies und gehört zu den Sapotengewächsen, auch als Breiapfelgewächse bezeichnet: Sideroxylon mirmulans - Marmulano.


Sideroxylon mirmulans - Marmulano


Die Bäume stehen kurz vor dem Eingang zum kleinen Tunnel in die Ribeira Seca. Falls sich jemand schon mal gefragt hat, warum man dort sofort von zig Eidechsen überfallen wird, sobald man vor dem Tunnel stehen bleibt, ist die Antwort: es leben Hunderte dieser Tierchen in diesen Bäumen.

Auf unserem Weg von Prazeres hinunter nach Paúl do Mar ließen sich noch zahlreiche Besonderheiten der Pflanzen entdecken, die uns nicht nur verzaubern, sondern für das Gleichgewicht der Ökosysteme und das Überleben der menschlichen Spezies von grundlegender Bedeutung sind. In Anpassungsfähigkeit und daraus entwickelten Überlebensstrategien sind uns Pflanzen auf jeden Fall weit voraus. Wir können viel von ihnen lernen, wie man beispielsweise mit Wassermangel umgeht.

der Tüpfelfarn - Polypodium macaronesium - wartet nur auf ein kleines Nass, um sich wieder zu entfalten

Sämlinge der Weidenartigen Kugelblume - Globularia salicina - siedeln sich in Felsspalten an


auch zahlreiche Moose - Bryophyten - können in extremer Trockenheit überleben

Hungerkünstler oder Wasserspeicher? - Klebaeonium - Aeonium glutinosum

die Ringelblume - Calendula madeirense - schützt sich mit einem Wachsfilm gegen Verdunstung

das Meeres-Leimkraut - Silene uniflora - besiedelt Rutschhänge

Christusauge - Tolpis succulenta

Gänsedistel, im trockenen Süden macht sie sich klein - Sonchus ustulatus

Meerkohl - Crambe fruticoso

Fischfangwolsmilch - Euphorbia piscatoria

noch ein Hungerkünstler - Madeira-Mauerpfeffer - Sedum nudum

sehr selten: gelber Jasmin - Jasminum odoratissimum

Madeira-Steinbrech - Saxifraga maderensis - ist eigentlich in höheren Lagen zuhause

und dem Lorbeer genügen schon ein paar nebelfeuchte Nächte, um auch im heißen August mit frischem Grün auszutreiben


Natürlich gibt es noch viel mehr Spezialisten zu entdecken, wie z.B den madeirensischen Olivenbaum, den Madeira-Sorbenstrauch, den Madeira-Blaustern (nur im Winter!), die sehr seltene Schmerwurz (war jetzt leider fast nur noch "Papier").  Der Weg - am besten bergab - lohnt sich also zu jeder Jahreszeit. 




Viele Fotos der endemischen Pflanzen Madeiras findet ihr mittlerweile auch auf https://madeira.flora-on.pt/#/1madeira

Wer sich für eine dieser Exkursionen, die regelmäßig angeboten werden interessiert, schaut einfach mal auf die Facebook-Seite von: querida natureza