Das neue Madeirabuch

Frühstück mit Walen

Erlebnisse auf Madeira

Seit nun beinahe sechs Jahren schreibe ich von und über Madeira. Vieles davon konntet ihr bisher in diesem Blog lesen.

Nun habe ich mein erstes Buch herausgebracht. Es ist ab sofort erhältlich.


ISBN 978-3-7431-3056-2

196 Seiten 
Taschenbuch 9,80 Euro
eBook 5,99 Euro

In Deutschland, Österreich und in der Schweiz: im Buchhandel
Überall: online


Ein Buch für Wanderer und Auswanderer

Madeira - Insel des ewigen Frühlings, Perle im Atlantik, Wanderparadies, schönste Insel in Europa. Das portugiesische Urlaubsziel kann mit vielen Superlativen punkten.
Dass die Wirklichkeit noch viel schöner ist als die Vorstellung erlebte ich bei meinem ersten Urlaub auf Madeira.
Ich erzähle von Wanderungen durch zauberhafte Wälder, an wilden Küsten, über spektakuläre Bergstrecken entlang der einzigartigen Levadas. Und davon, wie ich meinen Traum verwirkliche auf Madeira zu leben. Und wie aus einer anfänglichen Verliebtheit eine große Liebe wächst - für die herzlichen Menschen, die grandiose Landschaft und die überwältigenden Naturschönheiten.
Und wie ich lerne, den Missständen des Alltags mit Humor zu begegnen.

Eine Liebeserklärung an Madeira



Leserstimmen Forum-Madeira.eu

Danke für diese wunderbare Lesempfehlung!! Habe mir das Buch (völlig problemlos) auf meinen Kindle geholt und fast in einem Zug verschlungen. Es ist sehr flüssig und auch spannend geschrieben, aber das wusste ich ja schon aus den Leseproben. Wenn man selbst dem Zauber dieser einmaligen Insel verfallen ist, freut man sich umso mehr dieses Gefühl literarisch aufbereitet ( derzeit im kalten Östereich) wieder zu wecken. Jede Zeile ist mir aus der Seele gesprochen. Danke hiemit auch an die Autorin! Mit Grüßen aus dem Burgenland. 
Elisabeth


Hallo Zusammen, dank Jardineira war ich heute den ganzen Tag auf der Insel.

Ich konnte das Buch erst weglegen als ich es zu Ende gelesen hatte. 
Super spannend geschrieben.
Buxel


Das Buch hat mir viel Freude gemacht. Auswandern ist zwar für uns, vor dem ersten Madeira Besuch, kein Thema, aber es liest sich so, dass ich es nachts nicht weglegen konnte. Schmunzeln ließen mich auch die Defender Erlebnisse. Dein Buch hat unsere Vorfeude auf den Sommer noch verstärkt.

Bernd1961


Dein Buch "Frühstück mit Walen" habe ich gelesen und war davon sehr angetan.

Für alle Erwerber einer Immobilie auf Madeira werden Deine Erfahrungsberichte hilfreich sein. Das Buch ist unterhaltsam und flüssig zu lesen. "Frühstück mit Walen" wird in meinem Bücherregal eingereiht und mit Sicherheit des Öfteren gelesen und empfohlen werden. 
Adeus: Tiago

Ich habe gestern Abend auch den letzten Teil des Buches gelesen... ich finde auch, dass es sich gut weg liest. Mir hat vor allem die Mischung gefallen: persönliche Erfahrungen, Einblicke in den Lebensalltag auf Madeira und Beschreibungen von Wandertouren und Orten, die man als mehrfache Madeiraurlauberin selbst kennt. 
Christina

Ich habe das Buch gestern fast in einem Stück durchgelesen. Eigentlich bin ich kein begeisterter Leser, doch nach kurzer Zeit hat es mich gepackt und ich wollte mehr, immer mehr. Gelesen habe ich das Buch vor allem wegen des letzten Satzes: „Ein Buch für Wanderer und Auswanderer“. 
Liebe Grüße aus Bremen (endlich mal wieder mit Sonne)
Michael






Leseproben


Willkommen – bem vindo


Keine Lust mehr auf Winter.
Es ist Anfang Januar, und die Aussicht noch drei Monate zu frieren und in einen grauen Himmel zu schauen deprimiert mich zunehmend. Ich suche im Internet nach Ferienhäusern auf einer der drei kleinen kanarischen Inseln. Aber entweder sind wir zu spät dran oder unsere Reisekasse ist zu schmal bemessen, jedenfalls finde ich nach tagelanger Suche nichts, was mich wirklich überzeugt. Beim Gespräch mit Freunden bekomme ich noch einen wichtigen Tipp:
„Nehmt auf jeden Fall ein Häuschen im Küstenbereich, denn wir haben in unserem letzten Urlaub viele Tage in den Wolken gesessen. Die Häuser haben oft keine Heizung, manchmal nicht mal einen Ofen. Die Bettdecken sind dünn, das Bett ist feucht. Ich glaube, ich habe noch nie so gefroren wie auf La Palma im Februar,“ sagt die Freundin, die gerne mal Winterurlaub in Schwedisch-Lappland bei minus 40 Grad macht. Wir werden uns wohl ein anderes Reiseziel suchen.
Ich blättere in meiner Gartenzeitung und entdecke ganz zufällig ein Angebot für eine Bio-Ferienwohnung auf Madeira. Madeira – wo liegt das eigentlich?
„Ist das nicht die Insel, wo deine Eltern mal Urlaub gemacht haben?“ fragt mein Mann.
„Stimmt. Aber das ist ja schon ewig her. Ich kann mich aber erinnern, dass sie sehr begeistert waren. Soll sehr ursprünglich und wild sein. Meinen Vater hatten die meterhohen Weihnachtssterne, die am Straßenrand wuchsen, fasziniert.“
„Aber ist das nicht so eine Rentnerinsel? Für Reisegruppen siebzig plus?“
„Keine Ahnung. Ich werde mal ein wenig recherchieren.“
Reiseveranstalter und Internetseiten werben mit „Insel des ewigen Frühlings.“ Und die Klimatabelle ist vielversprechend: ca. 18 Grad im Februar und etwa sieben Regentage. Wir wollen zwei Wochen bleiben, nicht baden, sondern wandern und Sonne tanken – die Insel könnte unsere Bedürfnisse befriedigen.


......…..


Wir verbringen nach unserer Ankunft einige schöne Tage in Funchal, die durchaus das Klischee des beschaulichen Rentnerreiseziels bestätigen. Aber mit unseren Fahrten über die Insel und unserer allerersten Wanderung wird dieser Eindruck ganz klar widerlegt. 

Madeira ist Abenteuer!


Unsere erste Wanderung wollen wir in der nahen Umgebung machen. Levadawandern – dafür ist Madeira berühmt, lesen wir im Reiseführer. Levadas, das sind von Menschen geschaffene Wasserkanäle um das Nass ferner Quellen in die trockenen Regionen zu leiten. Auf der Insel erstreckt sich ein Wassernetz über fast dreitausend Kilometer und an etlichen dieser Levadas sind ausgewiesene Wanderrouten. Wir beginnen unsere erste Tour also im nahe gelegenen Prazeres, an dessen Dorfrand die Levada Nova vorbei führt. Unser Ausgangspunkt liegt in 580 Meter Höhe und wir gehen in westlicher Richtung mit dem Lauf des Wassers. Sehr beschaulich windet sich der Kanal durch die Felder, und wir beobachten wie die Bewässerung funktioniert: In kurzen Abständen gibt es Metallschieber, die beim Hochziehen Wasser in eine kleine Rinne, manchmal betoniert, meist nur als Erdvertiefung, bergab entlassen. In einer dieser Rinnen steht ein alter Mann in Gummistiefeln und lenkt das Wasser in sein Feld, das ebenfalls leicht abschüssig und mit tiefen Furchen angelegt ist. Um das Wasser aus der Rinne in die Feldfurchen zu leiten, gebraucht er ein dickes Knäuel aus alten Pullovern und einen großen Stein.
Wir schauen ganz ehrfürchtig zu, wie sich Furche um Furche mit Wasser füllt, während der Alte sich bereits um das nächste Feld kümmert. Kartoffeln wachsen hier, Zwiebeln dort. Außer dem schmalen Pfad an der Levada entlang führt kein Weg hierher.
„Das bedeutet, dass nach der Ernte alles geschleppt werden muss. Kilometerweit!“ sinniere ich.
Wir grüßen mit einem freundlichen „bom dia“ und der Alte erwidert den Gruß ebenso freundlich mit etwas Unverständlichem, das sich wie „Tach“ anhört.
„Wir werden uns heute Abend doch mal die wichtigsten Wörter im Sprachführer ansehen. Hier draußen auf dem Land kommen wir mit Englisch wohl nicht so weit,“ schlage ich vor.
Im nächsten Dorf, Maloeira, verlassen wir die Levada und suchen den beschriebenen Weg zur Küste hinunter. Fragen können wir niemanden, denn die ganze Gegend wirkt sehr verlassen. Wir irren erstmal über blühende Wiesen, immer wieder vor einem Abgrund stehend, bis wir endlich eine gelb-rote Markierung an einem Fels entdecken. Der Pfad ist schwer zu erkennen, führt steil bergab und ich rutsche mehr auf dem Hosenboden, als dass ich absteige. Unter uns rauscht ein Bach. Laut Wanderkarte soll es eine Furt zur Überquerung geben, doch als wir am Ufer angekommen sind, wird uns klar, dass das wahrscheinlich die Sommerversion ist. Nach den starken Regenfällen der letzten Wochen führt der Bach soviel Wasser, dass kein Grund zu sehen und damit keine Furt vorhanden ist.
„Also, was machen wir?“ fragt mein Mann.
„Ich steige auf gar keinen Fall den Berg wieder hoch. Irgendwie kommen wir da schon rüber.“
Der Bach kommt mit Getöse zwischen den Felsen hervor, wirbelt in der Senke, an deren Rand wir stehen, wild und ungestüm. Wir erkunden das Ufer ein Stück abwärts, wo sich viel Holz vor dem nächsten Felsdurchbruch gestaut hat.
„Das ist die einzige Möglichkeit, wo wir ihn überqueren können.“
„Du willst doch nicht im Ernst auf einem dieser glitschigen Stämme über den Wildbach balancieren?“ mir ist schon klar, dass die Frage rein rhetorisch ist, denn es gibt wirklich keine andere Stelle, die passierbar scheint. Er prüft einen geeigneten Stamm, ob er fest sitzt, indem er noch am Ufer kräftig darauf wippt, dann – fünf, sechs, sieben beherzte Schritte – und er ist drüben.
Ich sehe ihn sicher am anderen Ufer, ich schaue auf das wilde Wasser zwischen uns - und mir kommen Zweifel an meinem Mut.
„Das schaff’ ich nicht!“
„Soll ich zurückkommen?“
„Neiiiiiin!“
So ist mein Mann. Lieber begibt er sich zweimal in Gefahr, bevor er mir eine zumutet.
„Ich muss mir nur eine andere Stelle suchen. Ich kann nicht balancieren ohne mich irgendwo festzuhalten.“
Wenige Meter neben dem dicken Stamm, den er für die Überquerung genutzt hat, liegt noch ein dünner quer über dem Bach. Der taucht zwar an einigen Stellen ins reißende Wasser, dafür gibt es aber eine Menge Gestrüpp in Schulterhöhe zum Festhalten. Ich bereite mich vor, das hilft gegen die Angst: Reißverschluss der Jacke schließen, Schulter-, Brust- und Bauchriemen des Fotorucksacks festzurren. Damit ich nirgends hängen bleibe. Dann los! Um meine „Brücke“ zu erreichen, muss ich noch anderthalb Meter über eine „Insel“ aus Stöckchen, Schilf und Gras, die bedenklich unter meinen Schritten schwankt. Dann ein Griff ins Gestrüpp und langsam Seitschritt für Seitschritt übers tosende Wasser. Genau in der Mitte kommt mir ein unpassender Gedanke: ‚Das mache ich doch jetzt nicht wirklich? Solche Aktionen gucke ich mir doch sonst nur im Film an.’ Es wird ein Film mit HappyEnd. Mit zitternden Beinen lasse ich mich am anderen Ufer ins Gras fallen. Fotos gibt es von diesem Urlaubsabenteuer nur ohne die Action-Helden. Allerdings ist noch nicht alles ausgestanden….


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Vizinha Conceição, unsere Nachbarin, hat Geburtstag. Es dauert eine ganze Weile, bis wir begreifen, was sie uns eines Vormittags mitteilen möchte. Doch dann steht sie plötzlich mit einem Kuchen und einem Tetrapack Mangosaft bei uns auf der Terrasse und malt uns eine 85 in die Luft. Sie hat sich fein herausgeputzt und zusätzlich ein kleines Krönchen aufgesetzt. Klar, es ist Karneval! Vielleicht ist das seit Jahren schon ihr Geburtstagsspaß, sich zu verkleiden. Ich hole Gläser und Kuchenteller und wir setzen uns, mit einem Wörterbuch, zusammen vors Haus. Sie plaudert und plaudert und auch ich versuche auch ein paar portugiesische Sätze, aber sie versteht mich nicht. Ich bin nicht ganz sicher, ob ihre Schwerhörigkeit oder mein Portugiesisch das Problem sind.




Nach unserem Abenteuer lassen wir es etwas ruhiger angehen mit einem Spaziergang in den Bergen.


Madeira ist Überraschung!


Der nächste Tag beschert uns einen wolkenlosen Himmel und freien Blick in die Berge – zum ersten Mal seit unserer Ankunft. Klar, dass wir eine Tour oben, auf der Hochebene Paúl da Serra, in Angriff nehmen. Mit unserem etwas untermotorisierten Kleinwagen schaffen wir die Steigung der ziemlich ruppigen Straße gerade mal im ersten Gang. Von Meereshöhe bis auf 1300 Meter wird das Autochen gezwungen, und wir werden ziemlich durchgerüttelt. Trotzdem ist es eine faszinierende Fahrt. In kürzester Zeit durchqueren wir nicht nur drei Klimazonen, sondern auch mehrere Vegetationsgürtel. Unser Start in den üppigen Subtropen führt uns geradewegs in einen exotischen Wald aus Eukalyptus und Akazien. Am Straßenrand wachsen Hortensien und Schmucklilien, die sogar jetzt im Winter vereinzelt blühen. Dann urplötzlich, der freie Blick über sanfte grüne Berghänge mit Stechginsterbüschen, die hier und da gelb aufleuchten. Und auf der Hochebene angekommen - fast nichts mehr. Willkommen im schottischen Hochmoor! Passend dazu fliegen uns Wolkenfetzen entgegen, die uns einhüllen um sich wenige Minuten später bereits wieder aufgelöst zu haben. Wir stellen unser kleines Auto zu seiner Erholung ab, ziehen uns Wanderstiefel an und steuern das ausgeschilderte Forsthaus Rabaçal an. Hier beginnen gleich mehrere Levada-Wanderrouten.
Die Wolkendecke hat sich wieder verdichtet, es könnte bald regnen, auf jeden Fall ist es ziemlich feucht in der Luft. Also entscheiden wir uns nur für eine kurze Wanderung zu den Risco-Wasserfällen und tauchen ein in einen Märchenwald. Auf Schritt und Tritt erwarten wir auf Elfen, Feen und Waldkobolde zu stoßen. Die verdrehten Stämme der Baumheide formen ein Dach über unserem Weg und der Levada. Flechten und Moose zaubern eine Symphonie aus Grüntönen, mannshohe Farne brechen aus dem Gestein heraus und es gluckst und gurgelt und tropft und fließt das Wasser unter, neben und über uns. Der Weg an der Levada entlang ist breit, wir können während des Laufens auch die Augen wandern lassen. An der Aussichtsplattform bei den gewaltigen Wasserfällen empfängt uns eine Schar von handzahmen Madeira-Finken, die offensichtlich ein paar Brotkrumen erwarten. Doch dieser Platz ist eindeutig zu feucht, um eine Picknickpause einzulegen. Der weitere Verlauf der Levada ist für Wanderer gesperrt, weil einige Passagen abgerutscht sind. Gefährlich hatten wir gestern schon, also machen wir kehrt.
Zurück beim Forsthaus kommen die Finken zu ihrer Mahlzeit. Wir sitzen auf knorrigen Bänken, packen unsere Brote aus, holen uns Wasser aus der Quelle - und wären da nicht noch zwei Wanderer in funktioneller Outdoorbekleidung, könnten wir meinen in eine frühere Zeit versetzt zu sein. Außer Vogelgezwitscher dringt kein anderer Laut in das verwunschene Tal. So weit der Blick reicht, nur bewaldete Hänge und Schluchten - keine menschliche Behausung weit und breit. Auch das Forsthaus steht verlassen da, nur ein freundlicher Hund lasst einen Besitzer in dieser verlassenen Inselwelt vermuten.
Wir wandern auf der Forststraße zum Auto zurück, noch immer im dauerfeuchten Wolkenniesel. Dann geht es wieder motorisiert über den Campo Grande, durch eine Landschaft, wie nicht von dieser Welt. Frei umherstromernde Kühe und das plötzliche Auftauchen von Windrädern beweisen uns das Gegenteil. Und schon weitet sich der Himmel zu einem makellosen Blau, als wir die Hochebene Richtung Encumeada-Pass hinter uns lassen. Die Ausblicke sind atemberaubend. Vor uns tut sich ein wildes, grünes Tal auf. Zu beiden Seiten schroffe Hänge, tief unten ein Fluss, der sich zum Meer windet.
Wüssten wir nicht, dass der Film Herr der Ringe in Neuseeland gedreht wurde, wir hätten den Drehort hier vermutet.
Bis zum Pass führt eine raue Piste, die von zahlreichen Steinschlägen zeugt und durch mehrere grob behauene Tunnel führt. Die niedrigen Steinmäuerchen zur Befestigung der Böschung sind oft ausgesetzt und mein Beifahrerblick geht mehrere hundert Meter in die Tiefe…..




Noch im gleichen Jahr kamen wir wieder, verliebten uns in ein altes Natursteinhaus und wurden im dritten Urlaub Hausbesitzer.



Madeira ist ein Traum!


Abreise am 5. Januar, mein Gott, sind wir aufgeregt!
Madeira empfängt uns spät abends mit lauer Luft. Am nächsten Tag, bevor wir uns in die Formalitäten begeben, möchte ich bei einem Morgenspaziergang von der Ferienwohnung zu unserem Haus erst mal richtig ankommen. Die Vögel singen zur Begrüßung in den Eukalyptusbäumen und die Zitronen leuchten in den blauen Himmel. In den Gärten blühen noch Dahlien und Rosen, während den Straßenrand die roten Fackeln der Aloe und meterhohe Weihnachtssterne befeuern. Die bunten Strelitzien strahlen in der Sonne und aus dem feuchten Schatten leuchtet die samtige Anmut weißer Callas. Ich bin wieder im Paradies!
Als ich zur Ferienwohnung zurückkomme, empfängt mich mein Mann mit einem gedeckten Frühstückstisch auf der sonnigen Terrasse. Wir denken beide gleichzeitig, ‚wenn das der Winter ist, ... !’ Dass es auch ganz anders sein kann, haben wir wohl gehört, aber das wird erstmal ausgeblendet. Wir kommen schließlich aus Norddeutschland. Wir kennen Stürme, Wassermassen und graue Tage ohne Ende. Und kein atlantisches Tief wird uns davon abbringen können unseren Traum vom Haus im Süden in diesem Urlaub wahr zu machen! Noch ahnen wir nicht, dass die kommende Woche auf andere Art sehr stürmisch werden wird.
.......
Am späten Nachmittag folgt die dritte Etappe unserer offiziellen „wir-werden-Hausbesitzer-auf-Madeira-Reise“: wir treffen erstmalig unseren Anwalt Advogado Nunes persönlich, der den Hauskauf für uns vorbereiten soll. Er beglückwünscht uns zunächst zu der guten Entscheidung ihn beauftragt zu haben und erzählt ein paar Anekdoten, was Ausländern so alles widerfahren kann, wenn sie sich schlecht beraten in das Abenteuer eines Hauskaufs auf Madeira stürzen: teure Ruinen, Grundstücke, die dem Verkäufer nicht gehören, Häuser, die laut Vertrag ganz woanders stehen als das angebotene Objekt – mir wird ganz schwindelig.

Er beruhigt uns: „Nein, nein, mit ihrem Objekt ist alles in Ordnung. Ich habe die Unterlagen des Grundbuchamts geprüft. Wir brauchen von Senhor Rodrigues nur noch die ficha técnica de habitação, die offizielle Baugenehmigung, und eine Angabe, wer die Garantieleistungen übernimmt, der Bauherr oder die Baufirma. Ich erwarte ihn morgen Vormittag in meiner Kanzlei.“ 




Nach vielen aufregenden Monaten ist unser Haus auf Madeira renoviert und eingerichtet. Wir können während unserer Aufenthalte endlich wieder Urlaub machen.

Madeira ist Entspannung!





Viel einfacher verläuft tags darauf mein erster Besuch beim Friseur, besser: bei der Friseurin. 
„Queria cortar minha cabela!“ wie ein Mantra spreche ich die vier Worte auf dem Weg zum Salon vor mich hin. „Ich möchte meine Haare schneiden lassen.“ 
„O hello! Nice to see you! I’m Sofia.“ Der kleine Frisiersalon ist nur fünf Gehminuten von unserem Haus entfernt und natürlich weiß hier jeder im Dorf, wer die beiden neuen Bewohner sind, einschließlich der Friseurin – und die spricht Englisch. Es sieht nach vielen Kunden aus, doch ich werde sofort auf den Frisierstuhl gebeten. Nein, das ist keine Vorzugsbehandlung, die drei anderen Frauen sind nur zum Schwatzen da. Und während Sofia meine Haare wäscht und schneidet und frisiert, bekomme ich gratis ein bisschen übersetzten Dorfklatsch zu hören: dass die Tochter der einen nächste Woche heiratet, dass der Mann der anderen noch immer arbeitslos ist, dass gestern die trächtige Kuh des Nachbarn ausgerissen ist, dass der Sohn in Schweden Heimweh hat, aber wenigstens Arbeit. „Ja, ja, die Krise! Schlimm, schlimm!“ Mit mir wird Smalltalk gemacht: „Gefällt es Ihnen auf Madeira? Ja, das Klima lieben alle Deutschen. Pflanzen Sie auch Gemüse im Garten? Oh, Sie lieben Blumen. Ich auch, sie müssen sich mal meinen Garten ansehen.“ Natürlich alles auf Englisch!
„Sieht gut aus,“ meint mein Mann, als ich wieder nach Hause komme. „Sie hat also verstanden, was du wolltest.“
„Nicht nur das, wir haben uns prächtig unterhalten.“
Ist es nun Fluch oder Segen, dass auf Madeira jeder zweite Englisch spricht? Zunächst erleichtert es den Einstieg, aber ich befürchte es wird auf Dauer das Portugiesisch-Sprechen-Lernen behindern.


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Wir haben uns entschlossen ein Auto per Containerfracht nach Madeira bringen zu lassen. Das dies nicht die beste Idee war stellt sich schon heraus bevor es angekommen ist.

Madeira ist Bürokratie pur!



Während also unser Auto übers Meer schippert, fliegen wir darüber hinweg und kommen ein paar Tage vor der geplanten Ankunft des Frachters auf der Insel an. Andreas, der Schweizer, hatte uns angeboten bei der Einfuhrdeklaration zu helfen und das wollen wir gerne vor Ankunft des Schiffes erledigen, um böse Überraschungen zu vermeiden.
Andreas holt uns ab, und wir fahren gemeinsam nach Funchal zur Alfândega. Die Zollbehörde ist eine fast furchteinflößende, grau-schwarze Trutzburg am Ende der wohl prächtigsten Straße der Hauptstadt, der Avenida do Mar. In einem Seitenflügel, nahe der berühmten Markthalle, befindet sich „unsere“ Behörde. Ein paar Stufen hoch, durch eine monumentale, messingbeschlagene Schwingtür - und wir stehen in einem vergangenen Jahrhundert. Ein schmaler Gang zwischen mannshohen, dunklen Holzwänden, die Luft ist heiß und stickig. Aus den Schreibstuben (die Bezeichnung Büro wäre unangemessen modern), in die wir durch die Türöffnungen hineinschauen können, dringt ein intensiver Geruch nach Schweiß, feuchtem Papier und Moder. Wir sehen nur Stapel von Dokumenten und Aktenordnern, die sich auf Schreibtischen türmen und aus schweren, hölzernen Wandregalen quellen. Andreas führt uns zum Raum des despachante, und jetzt beim Hineingehen können wir sehen, dass sich hinter dem Papiergebirge tatsächlich auch ein Mensch befindet, der auf unseren freundlichen Gruß ein kaum hörbares „boa tarde“ antwortet, ohne den Kopf zu heben. Wir stehen zu dritt vor diesem überladenen Schreibtisch und unser Freund erklärt unser Anliegen auf Portugiesisch. Der despachante Senhor Ricardo, ein behäbiger Mann mit großen, runden Kulleraugen, nickt und murmelt etwas, das wir als Aufforderung verstehen ihm die Fahrzeug- und Zollpapiere aus Hamburg zu geben. Dann hören wir mehrmals „bastante, bastante“. O je, ich ahne bereits, dass mehr auf uns zukommt als wir uns vorstellen wollen, und setze mich vorsichtshalber auf den einzigen, wackeligen Holzstuhl, der im Raum vorhanden ist. Es werden große Bücher herausgeholt, mehrere Listen verglichen und sogar ein Computer bemüht, dessen Tastatur unter etlichen Formularen verschüttet war. Nach einer gefühlten Ewigkeit – vielleicht war es eine knappe Stunde oder mehr – schlägt Senhor Ricardo alle Bücher und Akten wieder zu und verkündet uns strahlend die Summe, die die autonome Republik Madeira von uns an Einfuhrsteuer für einen 13 Jahre alten Landrover Defender haben möchte. Sechzehntausend Euro! Gut, dass ich schon sitze!
Dann kämen noch etliche kleinere Gebühren für die Anmeldung, Nummernschild, etc. hinzu und wir hätten sechs Monate Zeit für alle Ämtergänge.
„Und es gibt keine andere Möglichkeit?“ Mir fällt gerade keine intelligentere Frage ein.
„Doch! Sie geben ihren Wohnsitz in Deutschland auf und melden sich mit erstem Wohnsitz auf Madeira an. Dann bezahlen Sie nur 8.500 Euro, weil Sie das Auto in Deutschland erst ein halbes Jahr gefahren haben.“
Wir sind viel zu schockiert, um noch weitere Fragen zu stellen, bzw. unseren Informationsstand mit dem von Senhor Ricardo abzugleichen. Selbst unser Freund Andreas, der schon mehrmals mit der Behörde zu tun hatte, um eigene Fahrzeuge oder die von Freunden einzuführen, ist sichtlich geplättet.
Doch dann fällt Senhor Ricardo noch eine weitere Möglichkeit ein: wäre der Defender ein Nutzfahrzeug mit nur 2 Sitzen, dann hätten wir "nur" 6.000 Euro zu bezahlen. Andreas meint, dass dies alles nicht wirklich EU-rechtskonform ist, aber auf Madeira gelten eben eigene Gesetze.
Trotzdem wollen wir diese dritte Möglichkeit gleich heute noch auf dem Straßenverkehrsamt klären lassen und landen bei Senhor Ivo. Obwohl auch er angeblich nur Portugiesisch spricht, kann er aus unserem deutschen Kfz-Schein ersehen, dass sechs Sitzplätze eingetragen sind. 
„Ändern? Nein, das geht nicht, da ist nichts zu machen.“ Damit ist auch diese Möglichkeit perdu.
Da wir gerade so gut im Flow sind und auch an der richtigen Stelle, möchten wir gleich auch unseren Motorroller kraftfahrzeugamtlich auf Madeira legalisieren. Dieser kam ja bereits mit dem ersten Container auf der Insel an und sollte eigentlich schon längst, nämlich auch binnen Halbjahresfrist umgemeldet worden sein. So richtig ernst hatten wir das bislang nicht genommen, aber nach den Scherereien, die wir mit der Einfuhr des Autos haben, sehen wir ein, dass auch bei diesem Fahrzeug endlich die Nummernschilder von Deutsch auf Portugiesisch getauscht werden müssen.
Wir ziehen also unsere zweite Mappe aus der Tasche und Andreas erklärt, dass wir ein weiteres Fahrzeug auf Madeira anmelden wollen. Seltsam, zum Kfz-Schein des Defenders konnte uns Senhor Ivo sofort Auskunft geben, aber für die Vespa braucht er eine halbe Stunde um sich durch unsere Papiere zu arbeiten. Dann bekommen wir zwei Ausfertigungen einer Ficha técnica und eine langen Satz von Anweisungen: mit der Ficha técnica müssen wir wieder zurück zum Zollamt, zu Senhor Ricardo. Der wird von uns ca. 30 Euro kassieren und uns einen Stempel geben. Außerdem brauchen wir einen Stempel von einem Piaggio-Händler, weil wir keine technische Spezifikation vorlegen können. Der Roller ist mit seinen 17 Jahren zu alt dafür. Was das alles soll begreifen wir nicht, denn wir haben alle Papiere, die man für Kauf und Verkauf, An- und Ummeldung in Deutschland braucht, dabei. Egal, wir sind hier im Ausland – also weiter. Wenn wir beide Stempel haben, können wir uns ein Nummernschild besorgen –  „Wo?“ „Überall!“ – und wieder zurückkommen ins Straßenverkehrsamt. Dann wird uns eine Werkstatt zur Inspektion vorgeschrieben, und dann endlich können wir unseren Roller im Rathaus von Calheta, der câmara, ordentlich anmelden. Angeblich folgt danach keine weitere Amtshandlung mehr auf Lebenszeit.

 „Unserer oder der des Rollers?“ frage ich ganz leise, so dass es keiner hört. Und laut: „Lass uns erst mal was trinken gehen, sonst bekomme ich heute keinen klaren Gedanken mehr in den Kopf. Das war alles doch ein bisschen viel für einen Tag.“




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Endlich können wir auch mal im Sommer auf Madeira sein und die Lebensfreude der Insulaner miterleben.

Madeira ist ein Fest!


Es gibt im Sommer, und der beginnt im April und endet im Oktober, kein Wochenende, an dem nicht in irgendeinem Ort der Insel ein Fest wäre. Den Karneval mal ausgenommen, der auch auf Madeira im Februar/März gefeiert wird, startet die Saison mit dem Zuckerrohrfest in Canhas, Anfang April. Was folgt, sind Feste, die den Blumen, Früchten (Kirschen, Äpfel, Anonas, Kastanien), Fischen, Muscheln und Schnecken und womit man als Insulaner halt sonst noch so zu tun hat, gewidmet sind. Der Ablauf ist eigentlich immer ähnlich: das Dorf wird mit Girlanden geschmückt, eine Bühne und Stände mit der jeweiligen Spezialität und weitere mit Essen und Trinken aufgebaut, eine Messe abgehalten, ein Umzug oder eine Prozession gemacht und – ganz wichtig! – Feuerwerke gezündet. Einheimische, Verwandte und Touristen strömen zusammen, sehen sich verschiedene Laiendarbietungen auf der Bühne an, essen, trinken und haben mehrere Tage und Nächte Spaß.

Besonders inbrünstig begehen die Inselbewohner ihre kirchlichen Feste. Viele davon haben sogar Wallfahrtscharakter. Unser erstes erleben wir in Prazeres. Wir treffen uns Freitagnachmittag auf dem Kirchhof mit einer jungen Frau aus Deutschland, die wie wir auch ihren ersten Sommer auf Madeira verbringt und ebenso neugierig auf all diese Traditionen ist. Wir kommen gerade rechtzeitig bevor die banda musica, eine Blaskapelle, eine kleine Prozession anführend auf den Kirchplatz kommt. Frauen, Männer und Kinder tragen ihre Opfergaben in die Kirche zur Segnung und hinten wieder hinaus zu einer Holzhütte, die als Tombola dient. Da werden kunstvoll drapierte Türme aus Eiern auf dem Kopf balanciert, Bananenstauden geschleppt, Brotberge, Torten, Fruchtkörbe, Weinflaschen, ja sogar Sixpacks Bierdosen an der heiligen Madonna vorbeigetragen. Während sich die Prozession noch durch die Kirche windet, werden hinten im Hof bereits die ersten Gaben in der Holzhütte verhökert.
Das Prinzip ist einfach: bring was mit, kauf was anderes und die Kirche bekommt das Geld. Es ist ein munteres Gedränge um all die feinen Dinge, die jetzt im Angebot sind und bald sind alle Leckereien, Getränke und Lebensmittel verkauft. Die Häkel- und Stickarbeiten, vermutlich von den Seniorinnen an zahllosen Gemeindenachmittagen gefertigt und der Kirche gespendet, bleiben aber unbeachtet. Das ist schade, denn hier haben viele fleißige Hände feine Handarbeiten geschaffen, die keiner haben möchte. Ich kaufe ein besticktes Geschirrtuch, ein wenig kitschig, aber immerhin nützlich. 
Die Musiker sind inzwischen mit ihren Blasinstrumenten auf die kleine Bühne geklettert, die mehr wie ein offener Bauwagen aussieht. So schmal, dass die 15 Männer und Frauen, die sich auf zwei langen Holzbänken gegenübersitzen, gar nichts anderes als ein nach vorne gerichtetes Instrument spielen können, so eng sitzen sie Schulter an Schulter. Was da vorgetragen wird, ist aber mitnichten Kirchenmusik. Sie spielen ein bisschen portugiesische Volksmusik, aber überwiegend erklingen eingängige Klassiker aus der internationalen Schlagerwelt.......




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Wer auf einer Insel lebt ist von Wasser umgeben, und von Fischen, und von anderen Inseln. Porto Santo ist die kleine Nachbarin mit dem goldenen Sandstrand.



Madeira ist Vielfalt!


Zum Archipel von Madeira gehören außer der Hauptinsel noch eine weitere bewohnte und mehrere von Menschen unbewohnte Inseln. Von Funchal aus und weiter östlich der Küste entlang, hat man bei klarem Wetter fast immer die Desertas im Blick - drei flache Felsinseln, Ilhéu Chão, Deserta Grande und Búgio. Sie sind das letzte geschützte Rückzugsgebiet der vom Aussterben bedrohten Mönchsrobben und stehen unter strengem Naturschutz.
Die zweite unbewohnte Inselgruppe, die Ilhas Selvagens, liegt weit in südöstlicher Richtung. Diese wilden Riffinselchen haben kein Trinkwasservorkommen, dafür aber eine einzigartige, intakte Pflanzenwelt, die seit ihrer Entdeckung nicht gestört worden ist.
Dazwischen ist die Ilha Dourada, die goldene Insel Porto Santo. Diesen Namen bekam sie nicht etwa wegen ihres kilometerlangen goldgelben Sandstrands, sondern weil sie bis ins 19. Jahrhundert die Kornkammer des Archipels war.

Immer wieder begegnete uns auf Madeira die Frage: „Wart ihr schon mal auf Porto Santo? Nein? Da müsst ihr unbedingt mal hin!“
Wir hatten in den ersten Inseljahren kein Bedürfnis nach „Urlaub am Sandstrand“ und deshalb die Anregung nicht weiter verfolgt.
Bis mein Mann eine verlockende Anzeige in der Zeitung entdeckt. So sprachfest sind wir also schon, dass wir uns, wo sich die Gelegenheit bietet, die Zeitung schnappen und durchblättern. Diesmal hat er eine knappe Stunde Wartezeit im centro de saúde von São Vicente, während ich wegen eines Sturzes bei einer Wanderung in der Notfall-Ambulanz versorgt werde. Als ich mit verpflastertem Gesicht und langsam erblauendem Auge zu ihm in den Wartebereich zurückkomme, strahlt er mich an und fragt: “Sollen wir mal nach Porto Santo fahren?“ 
„Du meinst, an den Sandstrand? Damit ich beim nächsten Mal nicht so hart aufschlage, wenn ich stürze?“
„Auch!“
Die Idee, mal ein Wochenende ohne Wanderung zu verbringen, finde ich ausnahmsweise gut, denn meine Brille ist dem Sturz zum Opfer gefallen und mit der Ersatzbrille bin ich nicht so richtig schwindelfrei. Wir fahren also zum nächsten Reisebüro, buchen spontan unsere erste Schifffahrt über den Atlantik und steigen am darauf folgenden Freitagabend in Funchal auf die Fähre Lombo Marinho. Bei ruhiger See gleitet das Schiff in zweieinhalb Stunden übers Meer zu unserer kleinen Nachbarinsel. Kurz bevor wir die Südküste von Madeira hinter uns lassen, entdecken wir Wale, die lange Zeit mit dem Schiff durch die Abendsonne ziehen. Wir beobachten von unserem windgeschützten Deck knapp dreißig Pilotwale, die sich mit Anmut durch das Wasser bewegen. Ein schönes Schauspiel, das sich kaum ein Mitreisender entgehen lassen möchte.
Es sind überwiegend portugiesische Reisende jeden Alters: Schulklassen, Musikgruppen, Familien. Viele, die sich das große Fest zu Ehren von São João am letzten Juniwochenende auf Porto Santo nicht entgehen lassen wollen. „Volle Strände, ausgebuchte Hotels und Ferienwohnungen schon im Juni“, wie die deutschsprachige Madeira-Zeitung verkündet hatte, war wohl mehr der Hoffnung, als der Wirklichkeit geschuldet. Die kleinen Grüppchen, die das Schiff auf Porto Santo verlassen, sind doch recht überschaubar. Von Massentourismus keine Spur. Uns soll es recht sein.
Wir haben ein Hotelzimmer im Zentrum von Vila Baleira, der „Hauptstadt“ gebucht, bekommen vom Hafen zum Hotel sofort ein Taxi und können nach dem Einchecken noch für ein paar Stunden durch das festlich geschmückte Städtchen schlendern. Auf mehreren Plätzen riecht es bereits lecker nach Espetadas, die auch hier über offenem Feuer in halbierten Ölfässern gegrillt werden. Lautsprecher hängen an den Laternenmasten, um in jeder Gasse die musikalischen Darbietungen der Hauptbühne miterleben zu können. Die Bars sind locker besetzt, ein freier Tisch wäre überall zu bekommen. Doch wir lassen uns am Brunnen des heiligen Johannes nieder, der zu diesem Anlass ebenfalls festlich geschmückt ist. Darum herum gruppieren sich diverse Stände mit Sangria und Porto-Santo-Wein, Zuckerwatte, Eis, Popcorn und was es halt so auf einer Kirmes zu finden gibt. Wir haben einen guten Blick auf die Bühne, aber weitaus interessanter ist es, die Leute um uns herum zu betrachten. Alte Männer auf der Bank vor uns, ruhig, mit zufriedenem Gesicht, schauen wie wir einfach in die Menge. Bis eine alte Frau einen von ihnen zum Tanz auffordert. Er lässt sich nicht zweimal bitten, und schon dreht sich das Paar ganz selbstverständlich im Foxtrott rund um den Brunnen. Nur die kleinen Mädchen mit ihren Zuckerwatten bleiben stehen und wiegen sich mit im Takt. Die Teenager sind näher an der Bühne, kommen immer mal wieder mit forschem Schritt an uns vorbei, als ob es etwas ganz Wichtiges zu erledigen gäbe, die Älteren schlendern, schwatzen und schauen ab und zu Richtung Bühne, wenn ein neues Programm angekündigt wird. So geht die Nacht dahin. Wir liegen zwar kurz nach Mitternacht in unseren Betten, doch an Schlafen ist nicht zu denken. Es ist nicht die Musik und es sind nicht die Leute, es sind Autos, die uns wach halten. 
„So viele Autos kann es doch hier gar nicht geben, dass der Verkehrsstrom die ganze Nacht nicht abreißt,“ denke ich und hoffe, dass die nächste Nacht ruhiger wird.

Der Vormittag ist im Zentrum genauso geschäftig und allmählich bekomme ich eine Vorstellung, was hier in der Hauptsaison los sein kann. Glaubt man den Zahlen des Touristikbüros, verzehnfacht sich die Zahl der Menschen im August. Zu den fünftausend Inselbewohnern kommen dann 45.000 Gäste hinzu. Dann werden die Geschäfte gemacht, von denen die meisten Inselbewohner den Rest des Jahres leben müssen. 
Wir wollen den Trubel heute hinter uns lassen und fragen nach einem Fahrradverleih. Am „Stadtrand“ werden wir fündig. Ein Zweirad-Händler bietet Citybikes, Mountainbikes, Tandems, Fahrräder mit Elektromotor, Roller und Mopeds zum Verleih an, alle in ordentlichem Zustand. Wir entscheiden uns für Mountainbikes, denn ganz so flach wie gedacht ist die Insel nun doch nicht und die schönsten Plätze, so der junge Mann, der uns die Räder übergibt, erreicht man nur auf Schotterstraßen oder Sandpisten. 
Na, denn mal los. Zum Eingewöhnen nehmen wir uns die ebene Strecke in Richtung Westen, zum Cabo da Calheta vor. Knapp zehn Kilometer fährt man hinter den Sanddünen des endlosen Sandstrandes auf einem asphaltierten, breiten Fahrradweg parallel zur Straße hinaus zur Inselspitze. Dort enden Sandstrand und Straße praktischerweise an einem kleinen, feinen Restaurant, das für seine Fischgerichte viel gerühmt wird. Wir sind zu früh zum Essen da, nehmen nur einen chinesa, sammeln noch ein paar Muscheln am Strand und sitzen schon wieder auf dem Fahrradsattel. Nach mehrjähriger Fahrradabstinenz macht die Treterei wieder richtig Spaß. Das ändert sich aber ziemlich schnell, als wir die Küste verlassen, um über den Berg zur Bucht von Zimbralinho zu kommen. Das war einer der Geheimtipps vom Fahrradverleih. Ich habe bald das Gefühl meinen persönlichen Mount Everest zu erklimmen und muss, entgegen jeder Mountainbiker-Manier, schieben. Wenig aufbauend ist da der freundliche Hinweis nachfolgender Reiter, ich solle lieber ein Pferd nehmen, das mir die Strapazen abnähme. Irgendwann bin auch ich oben, glücklich, dass für den Abstieg zur Bucht die Räder sowieso abgestellt werden müssen. 
Diese Bucht ist wirklich ein Geheimtipp. Wir sind alleine hier. Der kleine Steinstrand liegt eingebettet in senkrecht aufstrebende Basaltwände mit phantastischen Felsformationen. Das türkisblaue Wasser umspült kleinere Felsen und Lavabecken, die jetzt zur Ebbe malerisch herausragen. Das Meer ist ruhig und wir hören nur ein leises Glucksen zwischen den Steinen, wie wir so ausgestreckt da in der Sonne liegen. Traumhaft schön, aber Steinstrände sind halt auf Dauer unbequem.
Nach einem erfrischenden Bad steigen wir den kleinen Pfad an der Felswand wieder zu unseren Rädern hinauf. Dann geht es die Piste hinunter, die mir vorhin so viel Mühe machte. Die Bremsen haben gut was auszuhalten, die Arme, auf denen das ganze Körpergewicht zu liegen scheint, auch!
Bevor wir unser nächstes Ziel ansteuern, lockt eine italienische Eisdiele. Die Auswahl an Eissorten ist zwar gering, doch es schmeckt ganz und gar italienisch hausgemacht. Oder glauben wir das nur, weil der Wirt ein echter Italiener ist? Egal, wir genießen es, erfreuen uns darüber mal wieder italienisch zu parlieren und fühlen uns sehr mediterran. Auch die Düfte von Wacholder und Strandgräsern, die aus den Dünen herüberwehen, lassen uns glauben, wir wären auf Sizilien.
Unser nächstes Ziel ist ein geologisches Monument. Diesmal geht es sanft bergauf über eine Sandpiste, die wir nur aufgrund unseres handgezeichneten Plans finden. Es gibt keinen Hinweis, kein Schild und dann, ganz plötzlich stehen wir vor einer riesigen Basaltstein-Orgel. Wow! Am Fuße des Pico Ana Ferreira, bilden spektakuläre Säulenformationen ein gewaltiges Halbrund, Relikt von Jahrmillionen alten Vulkanaktivitäten.
Von hier aus lässt sich Porto Santos Westen bis hinüber zu den Vulkankegeln gut überblicken: die Piste des Inselflughafens, wohin bei schlechten Windverhältnissen die Madeiraflieger manchmal ausweichen müssen, wenn es in Funchal keine Landeerlaubnis gibt - und zwei Golfplätze!
Mal ehrlich: muss das sein? Bereits jetzt im Juni ist die Insel total ausgetrocknet, aber die Golfplätze werden bewässert. 
Die Zufahrten sind ein weiterer Schildbürgerstreich. Wir kommen uns vor, wie auf einem Verkehrsübungsplatz, denn ein ganzes Netz von kurzen Straßen endet im Nichts, wohl aber gut ausgestattet mit Zebrastreifen, Fußgängerwegen und jeder Menge Verkehrsschildern.
Für ein Schild, das den Weg zum Monument weist, scheint kein Geld mehr übrig gewesen zu sein. Schade!
Wir beenden den Nachmittag mit einer Stunde im Sand und im Wasser. Noch ist der lange Goldstrand nur mäßig bevölkert. Vor allem, wenn man ein paar Schritte weg von den Strandbars macht, liegt man fast alleine.
Nun brauchen wir nur noch ein gutes Restaurant zu finden und der Tag ist rund. Doch das ist nicht so leicht, denn für die Geheimtipps ist man mit dem Fahrrad schlecht bedient. Zu weit entfernt, zu hoch oben! Wir begnügen uns mit Pizza in einer Strandkneipe und vertagen unser Fischgericht auf den nächsten Tag.
Das Museum in Vila Baleira ist uns am Sonntagvormittag einen Besuch wert, denn immerhin beherbergt es auch das Wohnhaus von Christopher Columbus. Alte Fotos vom Inselleben im letzten Jahrhundert, eine Menge an Historie vom Seefahrervolk Portugals, einige Fundstücke von einer im 18. Jahrhundert vor Porto Santos Küste gesunkenen niederländischen Karavelle, ein paar antike Möbelstücke, wenig zu bzw. gar nichts von Columbus. Wir sind etwas enttäuscht. Aber was konnten wir erwarten? Der Genuese Columbus hatte zwar ein Jahr auf Porto Santo gelebt und dort geheiratet, musste aber vor der portugiesischen Krone nach Spanien fliehen, und hat die Neue Welt im Auftrage von Isabella, der Königin von Kastilien und Tarragona entdeckt. Genau genommen dürften die Portugiesen gar keinen Anspruch auf ihn erheben. Nur sein Haus steht noch da, ist schön restauriert und lockt Besucher ins Museum.
Museal sind auch die Windmühlen von Porto Santo, einst Wahrzeichen der Insel, als sie noch fruchtbar war und der Getreide- und Weinanbau den Menschen ihr Auskommen sicherte. Wir treten kräftig in die Pedale, um die schmale Straße, die sich durch eine öde, verkarstete Landschaft hinaufwindet, zu schaffen. Belohnt werden wir mit einem phantastischen Rundblick vom Hafen die lange, goldene Sandküste entlang, über die weite Ebene, aus der markant der erloschene Vulkankegel Pico do Facho herausragt. Eine stille Landschaft! Dort, wo die Bebauung endet, ist nichts mehr außer Sand und ausgewaschenen Böden. Hin und wieder strahlt eine violette Distel aus den kargen, vertrockneten Wiesen heraus. Und die Windmühlen ohne Segel stehen still. Es gibt nichts mehr für sie zu tun.