11 Oktober 2016

Die unbekannte Levada do Brasileiro


Auf Madeira hat jede Levada, die von einer Quelle oder einem Fluss gespeist wird, und das Wasser über eine längere Strecke in einem künstlich geschaffenen Bewässerungskanal führt, einen Namen.
Oft sind die Bezeichnungen nach Lage  (Levada da Serra), nach Pflanzen (Levada dos Cedros), nach einem Ort (Levada do Caniçal) oder ganz banal als neu (Levada Nova) ausgewählt. Sehr alte Levadas wurden auch schon mal nach den Besitzern der Ländereien benannt. Bei der Levada do Brasileiro hat man bei der Einweihung 1912 allerdings nicht den Namen des ehemaligen Landbesitzers (João Nicolau da Câmara) gewählt, weil der inzwischen nach Brasilien ausgewandert war. Man nannte sie deshalb die Levada des Brasilianers.
Sie gehört zum Bezirk Porto Moniz im Nordwesten der Insel und ist als Wanderstrecke weitgehend unbekannt. Auf drei Niveaus verläuft sie am oberen Rand des Janela-Tals durch den einzigartig schönen Laurisilva Wald mit seinem überbordenden Grün, gespeist aus den Wolken, die der Insel das Wasser liefern.




Wir beginnen unsere Wanderung an einem strahlend sonnigen Oktobertag  - ausnahmsweise mal über den Wolken, die sich nur bis auf 600 m hinaufschieben - am Lagoa do Bardo. Ein relativ neuer Speichersee, direkt neben der Regionalstraße ER 105, die von Paúl da Serra nach Porto Moniz verläuft.


Die Levada kreuzt die Regionalstraße unterirdisch. Gegenüber eines kleinen Häuschen mit grüner Tür, geht es in ein paar Schritten die Böschung hinunter. Und schon tauchen wir ein in einen zauberhaften, grünen Tunnel, den die langen überhängenden Äste der Baumheide formen. Wir müssen aber sehr auf unsere Füße achten, denn neben der schmalen Levada verlaufen zwei Trinkwasserrohre, die zur Stolperfalle taugen. Kleine Zweige und viel Laub lassen die Levada immer mal wieder überlaufen und wir "spielen" Levadeiros und lösen mit den Wanderstöcken die Stauungen auf. "Wasser, marsch!"


die "reparierte" Trinkwasserleitung mit einem "Achtung! Stein", damit man nicht stolpert und das Pfropfholz abbricht


Trinkwasserquelle (mit Schild: Quelle zwölf? oder :Quelle süß?)

Dann erreichen wir die erste Stufe. Ein Wasserfall leitet das Wasser vom mittleren Niveau nach unten. Wir müssen durch den Wald nach oben und stellen fest, dass wir gut daran getan haben, die Wanderung in dieser Richtung durchzuführen. Der Waldweg ist steil und rutschig. Und durch den Teppich aus Lorbeerlaub nicht ganz eindeutig zu erkennen. Quer gelegte Zweige an Blindwegen erleichtern die Orientierung.



Wieder an der Levada angekommen, eröffnet sich eine der wenigen Aussichten auf Ribeira da Janela und den Fanal auf der gegenüberliegenden Bergflanke des größten und längsten Flusstals von Madeira.


Eine Erdrutschpassage mit viel Tropfwasser von oben, ohne Sicherung, mit nasser, ausgebrochener Levadamauer erfordert Vorsicht, ist aber passierbar. 



Beim nächsten Wassersprung scheint sich der Urwald zu verdichten. Die Farne wippen mit ihren Wedeln über unseren Köpfen. Das heißt, wir müssen wieder einige Höhenmeter, neben dem Wasserfall, im Zickzack-Kurs nach oben.



Das oberste Niveau der Levada zeigt sich in einem völlig anderen Licht. Sie zieht sich an einer mächtigen Felswand entlang, die an sich schon faszinierend ist mit ihren farbigen Flechten. Doch was sich über uns wie ein gewaltiger Balkon mehrere Meter über die Wand hinausschiebt, ist phänomenal!



Vor lauter Staunen verpasse ich doch glatt den etwas zugewachsenen Treppenabstieg, um die Engstelle an der Levada zu umgehen und krieche die wenigen Meter auf dem Mäuerchen entlang. Als ich durch bin, sehe ich die Stufen und kann Piet den Hinweis für den kleinen Abstieg geben. So ist diese Passage ganz ungefährlich zu laufen.

fast ein bisschen unwirklich

Wenige Meter später endet, oder besser gesagt beginnt, die Levada - wir sind ja gegen die Fließrichtung gelaufen - in einem verschlossen Tunnel. Hier wird die Trinkwasserleitung separiert.
Ein schmaler Pfad und ein anschließendes Gewirr von Pisten führt hinauf zur wenig befahrenen Straße, auf der wir zu unserem Ausgangspunkt zurückwandern.



Vorher gibt es jedoch noch ein kleines Picknick zwischen grasenden Kühen und einem Bullen. Der fällt uns erst auf, als wir uns schon gemütlich auf der Wiese niedergelassen haben. Zum Glück zeigt er an uns sehr viel weniger Interesse, als wir an ihm und frisst weiter ohne überhaupt nur den Kopf zu heben.

Unser Auto, das wir am Lagoa do Bardo abgestellt haben, ist ebenfalls von mindestens 15 gemütlichen Vierbeinern umringt. Sie haben es gut hier oben, wo kein Kette und kein Zaun sie hindert, dorthin zu kommen, wo das Gras am saftigsten ist.




Fazit: eine überwiegend schattige Levada durch ein phantastisches Waldgebiet.
Die Strecke erfordert absolute Trittsicherheit und Schwindelfreiheit.

Im Winter sollte man auch bei freundlichem Wetter einen Regenschutz dabei haben.
Bei Sturm oder starkem Regen sind die ausgesetzten Passagen gefährlich.

Gehzeit für die Levada ca. 1h50min, für den Weg zurück über die Straße ca. 1h





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