28 August 2017

Die Höllenschlucht


Levada da Fajã do Rodrigues - Ribeira do Passo - Levada do Norte - Levada do Plaino Velho - Madre - Paúl da Serra - Pico Ruivo dPdS - Estanquinhos



Die Ribeira do Inferno ist eine der wildesten, wasserreichsten und unberührtesten Regionen auf Madeira. Fast immer hängen die Wolken tief in der Schlucht, wo sich Wasserfall auf Wasserfall in die Tiefe stürzen. 
Vor zwei Jahren hatten wir uns über die Levada da Fajã do Rodrigues durch mehrere Tunnel bis dorthin gewagt. Die Faszination über die gewaltige Natur an der Madre endete jäh, als ich im Bachbett ausrutschte und mir beim Sturz aufs Gesicht die Brille zerbrach. Mit einem "Veilchen", einigen Schnittwunden, und im "Blindflug" ging es tastend zurück durch die fiesen Tunnel und anschließend in die Ambulanz von São Vicente. Dieses Inferno-Trauma sollte nun endlich mit einer positiven Erfahrung beseitigt werden. 
Daniel hatte ich ja bei der Wanderung in der Schweiz endlich persönlich kennengelernt und, weil ich aus seinen Wanderberichten wusste, dass er auf dem Weg von der Levada da Fajã do Rodrigues zur Serra do Paúl bereits in mehreren Abschnitten gegangen war, verabredeten wir uns für seinen letzten Urlaubstag auf Madeira zu dieser herausfordernden Tour. Das Wetter machte mit, wichtigste Voraussetzung für den insgesamt 1100 m hohen Aufstieg durch den Lorbeerwald. 

Wir lassen ein Auto in Estanquinhos auf der Serra, fahren mit dem zweiten über den Encumeada Pass ins São Vicente Tal und starten in Ginjas am Parque Empresarial.
Über eine breite Piste sind wir in wenigen Minuten an der Wassertreppe der Levada da Fajã dos Rodrigues, der wir entgegen der Fließrichtung folgen. 

Wassertreppe, die von einem 1,7 km langen Wasserstollen vom Hochplateau gespeist wird.

Knapp 3 km laufen wir uns an der Levada warm. Die lang andauernde Trockenheit dieses Sommers hat für die Vegetation im Lorbeerwald, in den wir tiefer und tiefer eintauchen, hier auf 600 Höhenmetern keine Auswirkungen. Die Wege zwischen und in den Tunneln sind allerdings ungewöhnlich trocken. Aus den Steilwänden tropft es nur mäßig.



Wir verlassen die Levada kurz vor dem wirklich fiesen 1000 m langen Tunnel und beginnen unseren Aufstieg. Extrem steil  zieht sich der kaum erkennbare Pfad mit etlichen Kletterpartien durch den Wald nach oben. Auf den feuchten Steinen rutschen die Stiefel genauso wie auf dem trockenen Laub. Es ist mühsam.


Als wir das Bachbett der Ribeira do Passo erreichen, beantwortet sich die Frage "warum tun wir uns das eigentlich an?" von selbst. Die Schönheit der Natur mit ihren Wasserfällen, glasklaren Gumpen, rundgeschliffenen Felsblöcken können Fotos nur annähernd wiedergeben. Man muss sie erleben.












Steil geht es weiter, immer wieder müssen wir die Orientierung an markierten Bäumen überprüfen, umgestürzte überklettern oder unterkriechen. Dabei begegnen uns verwitterte Artefakte als botanische Zeitzeugen und von Menschen geschaffene Schutzhöhlen als Relikte vergangener Zeiten.



Dass man sich trotz Erfahrung bei bestem Wetter verlaufen kann, stellen wir fest als wir plötzlich unterhalb der Levada do Norte stehen, die wir doch eigentlich oberhalb eines Ihrer vielen Tunnel überqueren wollten. Der Weg endet an einer schmalen Schlucht. Piet klettert voraus, ich bekomme kräftige Hände gereicht, dort wo ich mich nicht aus eigener Kraft hochziehen kann. Es ging einfacher als es von unten aussah.


Damit wäre der letzte unbekannte Part im Verlauf dieses Aufstiegs zufällig auch entdeckt.
Vor dem Tunneleingang geht es über eine Felsnase zurück zum eigentlichen Pfad und nach fast vier Stunden erreichen wir die stillgelegte Levada do Plaino Velho. 
Zeit für eine längere Pause! 

stillgelegte Levada do Pleino Velho

Den deutlich erkennbaren Treppenaufstieg, den wir vor einigen Wochen zur Hochebene gegangen sind lassen wir links liegen und wandern durch etliche Tunnel weiter Richtung Madre. 



Die Levada ist in diesem Abschnitt bereits sehr verfallen. Hier gilt es besonders auf die Füße zu achten. Es gibt ein paar ausgesetzte Stellen, doch die Trockenheit macht das Laufen sicherer. 




ein kurzer Blick nach oben, da wollen wir hin

massive, steinerne Rundbank als Sicherung gegen den Abgrund. 

 An der nassen Felswand direkt vor der Madre sieht es allerdings kritisch aus. Während ich noch ungläubig auf den schmalen, nassen Sims blicke und sich in meinem Kopf ein "niemals gehe ich da rüber" formt, ist Piet schon auf der anderen Seite zu sehen. Ein versteckter Eingang zu einem kurzen, tropfnassen  Felstunnel ist des Rätsels Lösung. Dann stehen wir quasi im Wasserfall. Das geht wirklich auch nur im Hochsommer. 

Daniel vor dem versteckten Tunneleingang, Piet am Ausgang

Tunnelausgang

die unpassierbare nasse Felswand

im Wasserfall


Die folgende Felswand müssen wir über einen kurzen Abstieg unterqueren, dann passieren wir einen Arm der Ribeira do Inferno. 


Blick zurück zum letzten Tunnel mit Grasvorhang

Über ein schmales Felsband erreichen wir einen Weg, der uns zwar weiterhin steil, aber in gutem Zustand, über Stufen und in engen Serpentinen aus dem Wald herausführt. Allmählich machen sich die vielen Höhenmeter in den Beinen bemerkbar. Wir werden langsamer.



Mit Erreichen der Ginsterzone wird es flacher, die Füße können endlich wieder waagerecht stehen und wir lassen den Blick schweifen, dorthin wo wir hergekommen sind. Unvorstellbar, dass uns durch diesen Dschungel einen Weg nach oben geführt hat!



Nun sind es nur noch wenige Minuten durch den hohen Ginster - noch ist der Weg schulterbreit offen - dann stehen wir auf der Hochebene. Geschafft!


Anstatt über die Piste zurück nach Estanquinhas zu gehen, gönnen wir uns noch die letzten 120 m Aufstieg auf den Pico Riuvo do Paúl, weil der Weg so sanft nach oben geht und sich die Beinmuskeln wieder entspannen können.



Der Himmel hat sich zugezogen, als wir am Abend den Gipfel erreichen. Egal, wir hatten einen phantastischen Wandertag mit unvergesslichen Eindrücken in einem sehr kameradschaftlichen Miteinander. 



Fazit: eine schwierige Bergwanderung, die Orientierungssinn, viel Erfahrung mit dem Wetter und dem Gelände, sowie eine gute Kondition voraussetzt und gefahrlos nur in den Sommermonaten machbar ist. Stirnlampen mit Ersatzbatterien sind für die Tunnelgänge erforderlich.

Gehzeit: 7 Stunden
Gesamtaufstieg: 1100 m



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